Im Mai 2021 legte die Bundesregierung die „Deutsche Sustainable Finance-Strategie“ vor und formulierte damit das Ziel, „Deutschland zu einem führenden Sustainable Finance-Standort“ ausbauen zu wollen. Die Grundidee scheint noch immer bestechend: Rendite-suchendes Kapital soll in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten gelenkt und über eine Indikatoren-gestützte Berichtslegung zu ökologischen, sozialen und Governance-Risiken nachgewiesen werden. Investoren können so den Risiko-Nachhaltigkeitsertrag möglicher Investitionen bestimmen.
Zu den Maßnahmen der „Sustainable Finance-Strategie“ zählte auch der „Dialog mit den Bundesländern und Kommunen“. Aus diesem Grund ging das kommunale Umfeld davon aus, dass Städte und Gemeinden einschließlich ihrer Unternehmen perspektivisch ebenfalls von den Regulierungsaktivitäten der EU – und hier insbesondere den Offenlegungs- und Reportingpflichten der Taxonomie und der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – betroffen sein könnten. Denn die „wirtschaftlichen Aktivitäten“ und Finanzbedarfe der Kommunen in Deutschland sind beträchtlich: Allein im Jahr 2024 tätigten sie Sachinvestitionen in Höhe von rund 52 Milliarden Euro. Dem standen allerdings Investitionsrückstände von rund 216 Milliarden Euro gegenüber. Hinzu kommen Investitionsbedarfe für die Wärme-, Energie- und Verkehrswende sowie weitere Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen, die – je nach Schätzung – einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr bis 2045 erfordern.
Exzellente Bonität als Schuldner
Der Bedarf für nachhaltige Finanzierung auf kommunaler Ebene könnte damit nicht größer sein. Zugleich sind die Bedingungen günstig, da die öffentliche Hand als Schuldner über eine exzellente Bonität verfügt. Und doch findet bislang Sustainable Finance auf kommunaler Ebene kaum statt. Denn das kommunale Kreditfinanzierungsgeschäft zeichnet sich durch Beständigkeit und Risikovermeidung aus, weshalb der klassische Kommunalkredit das Feld dominiert. Grüne Schuldscheine, „Green“ und „Social Bonds“, ESG-linked Loans et cetera bilden trotz einiger kommunaler Beispiele noch immer die Ausnahme.
Die Skepsis der Kommunen richtet sich vor allem gegen die Projektfinanzierungslogik, die Sustainable Finance zugrunde liegt. Denn Kommunen dürfen gemäß dem Haushaltsgrundsatz der Gesamtdeckung sämtliche Einnahmen für sämtliche Ausgaben verwenden. Ein aufwendiger Einzelnachweis zur Mittelverwendung für (kreditfinanzierte) Investitionen ist nicht erforderlich. Bei einer Finanzierung über Sustainable-Finance-Instrumente wäre dies anders. Die aufwendigen Reportingpflichten stellen Kommunen mit Verweis auf bestehende Personalengpässe sowie begrenzte Steuerungswirkungen meist kritisch in Frage.
Von der Aufbruchstimmung, die auch die nationale „Sustainable Finance-Strategie“ prägte, ist vier Jahre später nicht mehr viel zu spüren. Nahezu unbeeindruckt zeigen sich davon jedoch „die Märkte“: Die Nachfrage nach nachhaltigen Kapitalanlagemöglichkeiten ist in den vergangenen Jahren exponentiell gestiegen. Nicht umsonst zählt Europa – und hier insbesondere der öffentliche Sektor – mit Blick auf die Begebung von „Green Bonds“ sogar zu den Vorreitern. Weder das Omnibus-Verfahren der EU zum Abbau der hohen Berichtsstandards von Taxonomie und CSRD noch das Erstarken populistischer und klimakritischer Bewegungen in Regierungsverantwortung diesseits und jenseits des Atlantiks konnten diesen Trend bisher stoppen.
„Die Nachfrage nach nachhaltigen Kapitalanlagemöglichkeiten ist in den vergangenen Jahren exponentiell gestiegen.“
Auch mit Blick auf die Investitionsfinanzierung von Kommunen dürfte das Thema nicht von der Tagesordnung verschwinden. Maßgeblich hierfür sind im Wesentlichen vier Gründe:
Erstens, Banken, die in der Kommunalfinanzierung aktiv sind, bleiben gemäß EBA-Guidelines zum Management von ESG-Risiken sowie gemäß der Capital Requirements Regulation (CRR) berichtspflichtig. Damit sie ihren Auskunftspflichten nachkommen können, müssen sie vermehrt entsprechende Informationsabfragen – auch bei Kommunen – vornehmen. Zweitens, diverse Förderprogramme von Bund, Ländern und EU sowie Förderkreditlinien von Banken sehen bereits heute verpflichtende Nachweise zur nachhaltigen Mittelverwendung vor. Drittens, immer mehr Kommunen betreiben ein freiwilliges Nachhaltigkeitsmanagement. Entsprechende Strategien und Berichte werden unter Zuhilfenahme der SDGs für Kommunen – zunehmend auch in Form virtueller Indikatoren-Dashboards – erstellt. Und viertens strebt trotz inzwischen deutlich gelockerter Offenlegungspflichten eine wachsende Zahl an öffentlichen Unternehmen eine Nachhaltigkeitsberichterstattung an – meist nach „Voluntary Sustainability Reporting Standards“ (VSME).
Nachhaltigkeitsberichterstattung
Diese Herausforderungen untersuchte das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) im Forschungsvorhaben „Nachhaltige Finanzierung kommunaler Klimainvestitionen unter Berücksichtigung der EU-Taxonomie (KlimKomInvest)“. Folgende wesentliche Erkenntnisse sollten in der weiteren Diskussion berücksichtigt werden:
- Mehr als 40 Prozent der in einer Umfrage befragten Kommunen – und hier vor allem die großen Städte – erfüllen einzelne Kriterien einer „Sustainable-Finance-Readiness“, da sie beispielsweise mit mehr als drei Banken zusammenarbeiten, relativ schnell „bankable projects“ identifizieren können oder bereits einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen und/oder Nachhaltigkeitsziele im Haushalt verankert haben.
- Die landesrechtlichen Maßgaben zum „Gesamtdeckungsprinzip“ ermöglichen eine Zweckbindung, „wenn ein sachlicher Zusammenhang dies erfordert und durch die Zweckbindung die Bewirtschaftung der Mittel erleichtert wird“ (so etwa § 19 GemHVO Hessen). Da viele Kommunen die Kreditaufnahme für die gezielte Investition in spezifische Einzelvorhaben (Schulen, Kitas, Verwaltungsgebäude et cetera) nutzen, müssten sie die verfügbaren Informationen unterschiedlicher Fachdezernate nur zusammenführen.
- Auch wenn die Mehrheit der befragten Kommunen ein Nachhaltigkeitsreporting und eine entsprechende -bewertung von Investitionen als komplex und schwierig wahrnimmt, gehen mehr als 70 Prozent der Kommunen davon aus, dass das Thema für sie an Bedeutung gewinnen wird.
Kern des Difu-Projekts war ein Dialogprozess zwischen Banken, Kommunen, Rating-agenturen, Aufsichtsbehörden und Rechnungshöfen, um einen Reportingansatz für Banken und Kommunen gleichermaßen zu entwickeln. Das so entstandene KPI-Set erlaubt es, ein umfassendes Nachhaltigkeitsbild einer Kommune zu erstellen, das anschlussfähig sowohl an die EU-Taxonomie als auch an die SDGs und andere kommunale Berichtsrahmen ist. Der Sorge vieler Kommunen und Banken, dass mit einem Nachhaltigkeitsreporting nur marginale Steuerungswirkungen erzielt werden können und sich – je nach Ergebnis – womöglich auch noch die Konditionen für den herkömmlichen Kommunalkredit verschlechtern könnten, kann mit zwei Argumenten begegnet werden: Zum einen erfüllen bereits heute viele Aufgaben der Kommunen unterschiedlichste Nachhaltigkeitsanforderungen – ohne dass sie unter dem großen Dach der „Nachhaltigkeit“ verhandelt werden. So enthalten beispielsweise viele kommunale Satzungen die Pflicht zur Berücksichtigung nachhaltiger Baustandards. Zum anderen sind viele Datenbestände zu einschlägigen Nachhaltigkeitsindikatoren inzwischen per Knopfdruck allgemein verfügbar.
Vorbildfunktion der öffentlichen Hand
Der öffentlichen Hand kommt eine Vorbildfunktion zu. Mit Blick auf die komplexen Anforderungen der bevorstehenden Transformationsprozesse in den Kommunen – gerade auch unter zunehmender Einbeziehung von privaten Kapitalgebern – dürfte eine Generalamnestie im Sinne von „Daseinsvorsorge ist per se nachhaltig“ langfristig kaum mehr tragfähig sein. Die Finanzmärkte erwarten eine Differenzierung, um so der Gefahr eines „Greenwashings“ zu entgehen.
Zudem wird in der Debatte über die Komplexität von Ansätzen des kommunalen Nachhaltigkeitsreportings ein Aspekt selten mitgedacht: Schon bald dürften die Möglichkeiten digitaler Tools und KI-Anwendungen deutliche Erleichterungen bringen. Selbst wenn der Faktor „Mensch“ zentral bleiben wird, dürfte das Reporting trotz Personalknappheit künftig leichter umsetzbar sein. Denn die Grundidee von Sustainable Finance besteht in der Bewusstseinsbildung von Menschen und Märkten für das Thema Nachhaltigkeit. Die Alternative zu diesem Ansatz wäre das Ordnungsrecht. Dies würde jedoch die Selbstverwaltungsautonomie der Kommunen noch deutlich mehr einschränken.
Autor
Dr. Henrik Scheller ist Teamleiter Wirtschaft, Finanzen und Nachhaltigkeitsindikatorik im Forschungsbereich Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). Dr. Christian Raffer ist wissenschaftlicher Projektleiter im gleichen Forschungsbereich.
Info
Der Gastbeitrag ist zuerst in der aktuellen Zeitungsausgabe von Der Neue Kämmerer 3/2025 erschienen. Hier geht es zum Abonnement und hier zur Newsletter-Anmeldung.
Anne-Kathrin Meves ist Redakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Anglistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften (M.A.) hat sie ein Volontariat beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt am Main absolviert. Danach wechselte sie 2011 als Redakteurin zu Frankfurt Business Media, dem FAZ Fachverlag. Zunächst schrieb sie dort für die Magazine „FINANCE“ und „Der Treasurer“. 2018 wechselte sie in das Redaktionsteam von „Der Neue Kämmerer“.

