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„Nachhaltigkeitsprojekte sind kein Nice-to-have“

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Frau Pantring, wie schätzen Sie die aktuelle finanzielle Lage der Kommunen in Nordrhein-Westfalen ein, und welche Entwicklungen erwarten Sie für die Zukunft?
NRW ist ein buntes und facettenreiches Land. Insofern ist die Situation von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich, und diese Heterogenität bleibt ein Dauerthema. Ich würde die Haushaltslage für 2024 als herausfordernd, aber gleichzeitig noch tragbar einschätzen. Spannend ist, wie es weitergeht und was sich auf der Ausgabenseite tut.
Vor allem bei den Personalaufwendungen, den Sozialausgaben und bei den Investitionen haben wir große Blöcke, die die Kommunen umtreiben. Gleichzeitig haben wir auf der Einnahmenseite Herausforderungen, weil die Steuereinnahmen zurückgehen. Es stellt sich also die Frage, wie das aufeinanderzulegen ist. Die Lage ist anspruchsvoller geworden. Angesichts knapper Kassen werden die Kommunen jetzt noch stärker priorisieren müssen.

Vor dem Hintergrund einer zunehmend angespannten Finanzlage droht das Thema Nachhaltigkeit in den Hintergrund zu rutschen. Wie können Kommunen nachhaltige Investitionen tätigen, ohne ihre Haushalte übermäßig zu belasten?
Grundsätzlich sehe ich hier keinen direkten Konflikt, denn Investitionen in Nachhaltigkeitsprojekte sind kein Nice-to-have, sondern in erster Linie auch ökonomisch sinnvoll. Zudem ist die Finanzierung mit zahlreichen Förderprogrammen und zinsgünstigen Krediten zu sehr guten Konditionen möglich, und wir können auch Kommunen, die schlechtere Voraussetzungen haben, Finanzierungsmöglichkeiten aufzeigen.
Die von uns in Auftrag gegebene Umfrage „NRW.BANK.Fokus Kommunen 2024“, die das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut (FiFo) an der Universität Köln durchgeführt hat, zeigt, dass finanzschwache und finanzstarke Kommunen gleichermaßen das Thema Klimaschutz angehen. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass wir uns alle gemeinsam auf den Weg zu einem klimafreundlichen Staat gemacht haben. Insofern geht es jetzt darum, das große Ziel im Auge zu behalten. Wir müssen starten!

Unter welchen Voraussetzungen halten Sie öffentlich-private Partnerschaften für wirtschaftlich?
Eine ÖPP ist eine Möglichkeit, Kräfte zu bündeln in herausfordernden Zeiten. Insbesondere die Aspekte Planungssicherheit, Termintreue und Einbindung externer personeller Ressourcen können hier Kommunen zugutekommen. Dabei liegt die Kunst darin, die Zusammenarbeit und die Verträge nicht zu komplex zu gestalten. Beim Thema Transformation spielen vor allem die Stadtwerke als Partner der Kommunen eine entscheidende Rolle. Wichtig ist, dass sämtliche Institutionen und Akteure in dieser Zeit gemeinsam an den Zielen arbeiten, um alle ihre Stärken zu entwickeln.

Das Land NRW bietet seit April eine neue Förderung für Geothermieprojekte an. Als erstes Bundesland sichert es teilweise das Risiko bei Bohrungen ab. Unter welchen Bedingungen lohnt es sich für eine Kommune hier zu investieren, und wie hoch ist das verbleibende Risiko?
Geothermie ist ein spannendes Thema, das das Land vorantreibt. In NRW wurde jahrzehntelang Energie aus Kohle und damit aus dem Boden gewonnen. Nun wird zwar keine Kohle mehr abgebaut, trotzdem gibt es weiter Energie unter unseren Füßen, die wir nutzen können. Die Landesregierung hat deshalb Haushaltsmittel zur Förderung von Geothermieprojekten zur Verfügung gestellt, fördert die Erstellung von Gutachten und Bohrungen und sichert teilweise das Fündigkeitsrisiko ab. Die Kosten werden bei Misserfolg der Bohrung bis zu 45 Prozent übernommen. Wir wickeln das Förderprogramm ab und stehen dazu in Kontakt mit den Stadtwerken und Kommunen. Mit diesem Programm sind wir in Nordrhein-Westfalen Vorreiter.

Kämmerinnen und Kämmerer kritisieren häufig die Komplexität und den bürokratischen Aufwand der Förderpolitik von Bund und Ländern, da viele Förderanträge langwierige Genehmigungsprozesse erfordern. Zudem bemängeln sie die fehlende Planungssicherheit durch oft kurzfristige oder befristete Förderprogramme, die eine nachhaltige Haushaltsplanung erschweren. Sehen Sie Verbesserungsbedarf und -möglichkeiten?
Der weit überwiegende Teil der von der NRW.BANK angebotenen Förderprogramme hat mittel- oder langfristigen Charakter. Gleichzeitig ist es wichtig, das Förderinstrumentarium an neue Bedarfe anzupassen. Unser Programm für kommunale Investitionen in Flüchtlingsunterkünfte ist hierfür ein gutes Beispiel.
Unser Ziel ist immer, dass Förderung einfach und effizient gestaltet sein muss. Die Vermeidung von Bürokratie ist dabei eine Tagesaufgabe, an der wir ständig arbeiten. Für mehr Transparenz haben wir auch vor diesem Hintergrund das Kommunenportal entwickelt. Das Instrument bietet eine schnelle Übersicht über bestehende und beantragte Fördermittel und Finanzierungen und aktuelle Marktdaten. Das steht allen Kommunen in NRW kostenfrei zur Verfügung.
Aber eines gehört zur Wahrheit auch dazu: Solange öffentliche Gelder für Förderung genutzt werden, muss deren Verwendung auch ordentlich nachgewiesen werden – ganz ohne Verwaltungsaufwand wird es insofern nie gehen.

v.wilke@derneuekaemmerer.de

Info

Dieses Interview ist zuerst in der DNK-Printausgabe 4/2024 erschienen.

Info

Am 15.01.2025 veranstaltet die NRW.BANK ab 13.45 Uhr das 19. Kommunale Finanzmarktforum NRW in ihren Räumlichkeiten in Düsseldorf.

Beim GovTech DemoDay 2025 am 29.01.25 in Düsseldorf geht es darum, wie Kommunen und Start-ups in NRW bei der Transformation und auf dem Weg zur Klimaneutralität stärker zusammenarbeiten können. Hier geht es zur Anmeldung.

Vanessa Wilke

Vanessa Wilke ist gemeinsam mit Sarah Döbeling Chefredakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster arbeitete Vanessa Wilke als freie Journalistin beim Handelsblatt, bis sie 2003 ihr Volontariat bei FINANCE begann. Dort entwickelte sie im Jahr 2004 die Zeitung „Der Neue Kämmerer“ sowie den „Deutschen Kämmerertag“ und leitete anschließend die Redaktion. 2017 begann sie mit der Entwicklung von „OBM – Zeitung für Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister“. 2020 folgte die Weiterentwicklung dieses Themenfelds in der Plattform #stadtvonmorgen, die seitdem ebenfalls zu ihrem Verantwortungsbereich zählt.