Die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kaiserslautern klagen gegen den rheinland-pfälzischen Finanzausgleich. Die beiden hochverschuldeten Kommunen erhoffen sich davon die Lösung ihrer Finanzprobleme.

Die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kaiserslautern wehren sich gegen den Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz. Vor dem Landesverfassungsgerichtshof in Koblenz wird morgen mündlich darüber verhandelt. Ein Richterspruch unmittelbar nach der Verhandlung ist zwar nicht zu erwarten, trotzdem kann der Prozess auch für andere Kommunen eine Signalwirkung entfalten.

Die beiden Kommunen gehen gegen eine unzureichende Finanzausstattung vor, erklärten der Pirmasenser Oberbürgermeister Markus Zwick und der Kaiserslauterer Landrat Ralf Leßmeister gestern bei einer Pressekonferenz. Sie führten den Prozess auch stellvertretend für die kommunale Familie in Rheinland-Pfalz, so Zwick. Es gehe um „die Zukunft in unseren Städten und Landkreisen“.

Finanzausstattung für kommunale Selbstverwaltung

Konkret greift der Landkreis Kaiserslautern den Schlüsselzuweisungsbescheid 2015 und die Stadt Pirmasens die Schlüsselzuwendungsbescheide 2014 und 2015 an. Die beiden Kommunen fordern eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, die der kommunalen Selbstverwaltung gerecht wird.

Bereits im Mai 2019 wurde das Anliegen des Landkreises und der Stadt beim rheinland-pfälzischen Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße verhandelt. Aus Sicht der Kommunen bestätigten die Richter damals ihre Rechtsauffassung, verwiesen den Streit zur endgültigen Klärung jedoch an den Verfassungsgerichtshof.

Stadt und Landkreis „prädestiniert“ für den Prozess

Die Kommunalfinanzen sind in Rheinland-Pfalz ein besonders prekäres Thema. Elf der 20 höchstverschuldeten Kommunen Deutschlands sind rheinland-pfälzische. Allein in Pirmasens beläuft sich die Pro-Kopf-Verschuldung auf rund 10.000 Euro. 

Für 2020 rechnet der Pirmasenser OBM mit einem Haushaltsdefizit in der Größenordnung von 20 Millionen Euro. Wolle man innerhalb von 30 Jahren die Altschulden der Stadt abbauen, müsse man jährlich 14 Millionen Euro aufbringen, so Zwick. Rund 95 Prozent der städtischen Ausgaben beziehen sich auf Pflichtaufgaben. 

Beide Kommunen – die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kaiserslautern – seien auch deshalb „prädestiniert“, diesen Prozess zu führen, weil sie unter einer hohen Liquiditätskreditverschuldung litten und die freiwilligen Leistungen auf ein Minimum gekürzt hätten, erklärte der Kaiserslauterer Landrat Leßmeister. In den vergangenen Jahren hätten beide intensive Konsolidierungsanstrengungen unternommen, doch aus eigener Kraft sei der Schuldenspirale nicht zu entkommen. 

„Der Finanzausgleich verstößt gegen die Verfassung“

Das Delta im Sozialbereich wächst weiter an.

Markus Zwick, OBM Pirmasens

Zwick und Leßmeister erinnerten an das sogenannte Neuwied-Urteil, mit dem bereits 2012 den Kommunen eine unzureichende Finanzausstattung bescheinigt wurde. Sie erkennen zwar an, dass das Land infolgedessen nachbesserte. Doch trotz des Nachsteuerns seien die Finanzen für die Kommunen immer noch nicht auskömmlich. „Das Land bemüht sich“, sagt Zwick, „aber die Bemühungen halten auf keiner Weise mit der Aufgaben- und Kostensteigerung Schritt“. Die Kosten stiegen höher und schneller als die Landesmittel. „Das Delta im Sozialbereich wächst weiter an.“ 

Letztendlich bleibe es bei der Situation, dass sich die Kommunen immer weiter verschulden – trotz des Niedrigzinsniveaus und bester Wirtschaftslage vor der Coronakrise. „Wir sind daher der Meinung, dass der Finanzausgleich gegen die Verfassung verstößt“, sagte Zwick. Die Mindestfinanzausstattung sei nicht gewährleistet. Von den juristischen Anstrengungen der Stadt und des Landkreises erhofft er sich für den kommunalen Haushalt, „dass wir am Ende bei schwarzen Zahlen landen oder zumindest keine neuen Schulden machen müssen“ und dass es bestenfalls „eine freie Finanzspitze gibt“. 

Stadt und Landkreis strengen weitere Verfahren an

Die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kaiserslautern streiten auch auf anderen Ebenen juristisch für eine bessere Finanzausstattung. Zuletzt hatte sich der Landkreis vor dem Oberverwaltungsgericht in Koblenz erfolgreich dagegen gewehrt, dass die Kommunalaufsicht die Kreisumlage für seine Gemeinden entgegen eines Kreistagsbeschlusses zwangsweise erhöht hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da das Land Rheinland-Pfalz hinsichtlich einer möglichen Revision eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt hat. 

Außerdem ist der Landkreis gemeinsam mit der Stadt Pirmasens ans Bundesverfassungsgericht herangetreten. Dabei geht es insbesondere um die freiwilligen Leistungen und die Finanzausstattung im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung. „Vom Bundesverfassungsgericht erhoffen wir uns die Klarstellung, dass es eine freie Finanzspitze für die Kommunen geben muss, um die Selbstverwaltung der Kommunen umsetzen zu können“, erklärte Zwick. Die diesbezügliche Klage rücke die „Finanzausstattung ins Lichte des Grundgesetzes“. Das Bundesverfassungsgericht hat über die Zulassung der Beschwerde noch nicht entschieden. 

Zwick wünscht sich „Schulterschluss“ mit dem Land

Um auf die prekäre Finanzsituation aufmerksam zu machen, starteten die rheinland-pfälzischen Kommunen des Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“ zuletzt außerdem eine Onlinepetition an die Landesregierung. Die Petition hatte ebenfalls in Pirmasens ihren Ausgang. Sie zielt auf einen „Zukunftspakt Rheinland-Pfalz“ zur Lösung der kommunalen Finanzklemme ab. In diesem Tenor wünscht sich Zwick nach geklärter Rechtslage einen „Schulterschluss“ zwischen dem Land und seinen Kommunen, um „das Problem gemeinsam anzugehen“. 

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