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Warum Anlagerichtlinien für Stiftungen so wichtig sind

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Vorstände und andere Entscheider in Stiftungen haben oft Sorge, für Fehler in der Vermögensanlage persönlich zu haften. Das führt häufig zu Fehlentscheidungen und damit zu Vermögensverlusten bei Stiftungen. Die seit dem 1. Juli 2023 geltende Stiftungsrechtsreform hat daran nichts geändert, jedoch für mehr Klarheit gesorgt, da in § 84a des Bürgerlichen Gesetzbuchs die „Business Judgement Rule“ eingeführt wurde. Danach müssen Mitglieder des Organs einer Stiftung (zum Beispiel Vorstand, Kuratorium oder Stiftungsrat) die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers anwenden. Eine Pflichtverletzung liegt dann nicht vor, wenn das Mitglied eines Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln.

Was bedeutet das konkret für Stiftungsvorstände und ihre Haftung? Die Frage, ob ein Vorstand für Vermögensverluste haftet, hängt nicht davon ab, was am Ende herauskommt (ex post). Stattdessen ist allein entscheidend, unter welchen Umständen der Vorstand „was“ entschieden und „wie“ gehandelt hat (ex ante). Sofern die Anlageentscheidung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers getroffen wurde, sie nachvollziehbar und dokumentiert ist, tritt selbst bei einem Totalverlust keine Haftung ein. Um dies sicherzustellen, ist eine Anlagerichtlinie das richtige Instrument.

Aktien für Stiftungen nicht ausgeschlossen

Entgegen der weitverbreiteten Meinung gibt es keine gesetzlichen Beschränkungen, die einzelne Anlageklassen ausschließen oder Obergrenzen dafür festsetzen. Somit gibt es auch keine maximal zulässige Aktienquote. Im Gegenteil: Für die klassische deutsche Ewigkeitsstiftung ist ein relativ hoher Aktienanteil sinnvoll. Historisch gesehen sind alle Anlagen, die nominal notieren, wie zum Beispiel Anleihen, langfristig besonders riskant. Das hat der „oberste Kämmerer“ Schwedens, Richard Gröttheim, der seit 20 Jahren den staatlichen AP7-Fonds für die schwedische Rente leitet, verstanden. Er sagte: „Unser größter Fehler war, nicht von Anfang an nur auf Aktien zu setzen.“

Die Ausgestaltung einer individuellen Anlagerichtlinie empfiehlt sich als Nebenordnung außerhalb der Satzung, um die zum Teil konträren Ziele miteinander zu verbinden. Dies ermöglicht auch eine Anpassung ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Trotzdem ist die Stiftungsaufsicht über die Anlagerichtlinie und deren Anpassungen zu informieren. Die Richtlinie sollte neben der Anlagestrategie und den zulässigen Anlageinst­rumenten auch die Zulässigkeit von Umschichtungen im Vermögen definieren. Restriktionen zur Risikominimierung sollten mindestens die prozentuale Begrenzung von Assetklassen, die Vorgabe eines Mindestratings bei Anleihen, eine Obergrenze von Fremdwährungsanteilen sowie eine regelmäßige Informationspflicht des Vorstands enthalten. Kapitalmärkte und die wirtschaftliche Situation ändern sich stetig, daher sollte auch die Richtlinie regelmäßig überprüft werden.

Der Vorstand der Stiftung kann in diesem Rahmen gut begründete Anlageentscheidungen treffen und minimiert so eine mögliche Haftung. Anschließend stellt sich die Frage nach der Liquiditätsplanung: Welche Ausgaben für die nächsten Jahre sind schon heute bekannt? Welcher Anteil am Mittelaufkommen entfällt auf die Vermögensverwaltung? Wie setzen sich eventuelle Rücklagen zusammen? Sobald dieser Rahmen feststeht, beginnt die zielgerichtete Zusammenstellung des Portfolios.

Zusätzlich ist es für viele Stiftungen relevant, bei ihren Kapitalanlagen Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen und diese auch in den Anlagerichtlinien verbindlich zu regeln. Die erhöhte Aufmerksamkeit auf Umwelt- und Sozialthemen ist omnipräsent.

Nachhaltigkeit mitdenken

Für den Großteil gemeinnütziger Stiftungen, die soziale oder ökologische Ziele verfolgen, ist es unerlässlich, Nachhaltigkeit nicht nur in der Erfüllung des Stiftungszwecks, sondern auch in der Kapitalanlage als Kernkomponente mitzudenken. Die Integration von Nachhaltigkeit in den Anlagerichtlinien und die transparente Veröffentlichung können einen Vorteil beim Fundraising bieten. Potentielle Zustifter werden in Zukunft stärker auf die nachhaltige Anlage des Grundstockvermögens achten.

Es sollte zudem ein gemeinsames Verständnis der Nachhaltigkeitsmaterie entwickelt werden, bevor eine Stiftung die Richtlinie konkret formuliert. Hier bietet es sich an, mit Experten individuelle Schwerpunkte auszuarbeiten, orientiert am Stiftungszweck: Eine Tierschutzstiftung, die etwa Tierversuche aus dem Portfolio ausschließt, zeigt konsequentes Handeln.

Nachhaltigkeitskriterien in der Anlagerichtlinie sollten umsetzbar und überprüfbar sein. Neben klassischen Ausschlusskriterien ist auch eine Orientierung an gesetzlichen Produktklassifizierungen denkbar. Es gilt: Je individueller die Anforderungen in der Richtlinie, desto mehr kann sie dem Stiftungszweck entsprechen, desto herausfordernder kann aber auch die Umsetzung sein. In Anlehnung an die finanzielle Stärke einer Stiftung sollte der Individualitätsgrad mit Augenmaß festgelegt werden. Damit befinden sich Stiftungen in einem ähnlichen Spannungsfeld wie Kommunen, die ebenfalls Nachhaltigkeit und Umsetzbarkeit in ihren Anlagerichtlinien vereinen müssen.

Werden alle Anlageentscheidungen von den Vertretern der Stiftung sorgfältig auf Basis einer nachvollziehbaren Anlagerichtlinie getroffen und dokumentiert, dürfte es auch keine Haftungsprobleme geben.

ron.grosse@blsk.de

Info

Afra Kircher ist Nachhaltigkeitsexpertin im Portfoliomanagement Private Banking, Ron Große ist Leiter Private Banking Beratungsspezialisten bei der Braunschweigischen Landessparkasse/NordLB.

Dieser Artikel ist zuerst in der aktuellen DNK-Printausgabe erschienen. Hier geht es zum Zeitungsabo und hier zur Newsletter-Anmeldung.

Dr. Sarah Döbeling

Dr. Sarah Döbeling ist gemeinsam mit Vanessa Wilke Chefredakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Sarah Döbeling hat Rechtswissenschaften in Kiel studiert und zu einem konzernrechtlichen Thema promoviert. Im Anschluss an ihr Volontariat bei der F.A.Z. BUSINESS MEDIA GmbH war sie bis 2015 Redakteurin des Magazins „FINANCE“ und verantwortete zudem redaktionell die Bereiche Recht und Compliance innerhalb von F.A.Z. BUSINESS MEDIA. Nach weiteren Stationen beim Deutschen Fachverlag und in einer insolvenzrechtlich ausgerichteten Kanzlei kehrte Sarah Döbeling im September 2017 in die F.A.Z.-Verlagsgruppe zurück und leitet seitdem die Redaktion der Zeitung „Der Neue Kämmerer“.