Thüringen will der Stadt Gera beim Rückkauf von Wohnungen helfen – sehr zum Ärger des Rechnungshofes. Für ein solches Vorgehen gebe es keinen Anlass. Das Land wiederum sieht Gera sogar als Vorbild für andere Kommunen.

Die Thüringer Landesregierung will der hochverschuldeten Stadt Gera beim Rückkauf der Wohnungsgesellschaft GWB „Elstertal“ finanziell unter die Arme greifen. Das hat das Landeskabinett am Dienstag beschlossen.  

Beim Thüringer Rechnungshof stoßen die Pläne indes auf wenig Gegenliebe. „Der Staat sollte immer nur dann eingreifen, wenn der Wohnungsmarkt nicht mehr funktioniert, also der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum nicht mehr gedeckt werden kann“, sagte Rechnungshofpräsident Sebastian Dette der Thüringer Allgemeinen. Einen solchen öffentlichen Zweck könne er im Fall der Stadt Gera nicht erkennen. Anders als in wachsenden Kommunen wie Erfurt, Jena oder Weimar gebe es in Gera Leerstand und dementsprechend günstige Mieten.  

Die rot-rot-grüne Regierungskoalition schätzt die Situation völlig anders ein. Der Ankauf von Anteilen an der GWB „Elstertal“ sei im „landeseigenen Interesse“. So würde verhindert, „dass Mieter, insbesondere Mieter in sozialgebundenen Wohnungen, plötzlich erhebliche Schwierigkeiten bekommen“, teilte eine Regierungssprecherin auf DNK-Anfrage mit. Darüber hinaus wolle man mit diesem Schritt „Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt und auch innerhalb der Region“ sichern.

Gera als Blaupause

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sieht das mögliche Engagement des Landes in Gera offenbar als Blaupause für andere Kommunen. Die Landesregierung prüfe aktuell, ob das Land sich auch andernorts an Wohnungsbaugesellschaften beteilige, heißt es in der Thüringer Allgemeinen.

Befürchtungen, dass einzelne Kommunen ihre wohnungsbaupolitischen Verpflichtungen künftig beim Land abladen könnten, erteilte die Sprecherin eine klare Absage. „Wir erwarten von den Kommunen auch weiterhin, dass sie sich auf diesem Feld nachhaltig engagieren.“ Allerdings brauche es auf den Wohnungsmärkten „über die Kommunen hinaus auch zusätzliche Akteure“.

Kann der Staat es besser?

Um die Frage, ob bzw. in welchem Umfang die öffentliche Hand sich wirtschaftlich betätigen sollte, ging es in dieser Woche auch bei dem Symposium „Öffentliche Unternehmen zwischen Privatisierung und Rekommunalisierung“, zu dem die Gesellschaft für Programmforschung gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge an der Uni Leipzig eingeladen hatte. „Kommunen sollten sich nur dann wirtschaftlich betätigen, wenn Private das nicht besser können“, betonte Peter Kurth, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE).

Für eine differenzierte Herangehensweise plädierte Christina Schaefer, Professorin für Verwaltungswissenschaft an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Statt sich ideologisch an der Frage „Privat vs. Staat“ abzuarbeiten, sollte die Frage in den Mittelpunkt gerückt werden, ob eine konkrete Aufgabe strategisch relevant für den Erhalt des Gemeinwesens ist – oder eben nicht. Rekommunalisierungen seien kein Selbstzweck. „Sie machen überhaupt nur dann Sinn, wenn zugleich die dahinterliegenden Prozesse optimiert werden“, betonte sie. 

a.mohl(*)derneuekaemmerer(.)de

 

 

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