Das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) in NRW ist an zahlreichen Stellen zum Teil grundlegend modifiziert worden. Gleicht man diese Rechtsänderungen mit den ursprünglichen Zielsetzungen ab, steht es heute für ein Übermaß an Instrumentenbürokratie und stellvertretend für eine bedauerliche Rückentwicklung der Reform des kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens in Deutschland. Als integraler Bestandteil wurde die Idee der ziel- und kennzahlengestützten Produktsteuerung ins NKF übernommen, obschon dieses Anliegen bereits im Reformvorläufer des Neuen Steuerungsmodells nicht verfangen hatte. Auch im Bedingungsrahmen des NKF sollte sich alsbald zeigen, dass der Produkthaushalt von der Kommunalpolitik überwiegend links liegen gelassen wird, so dass dessen alljährliche Befüllung mit Zielen und Kennzahlen häufig zu einer arbeitsaufwendigen „Pflichtübung“ der Kämmereien ohne erkennbaren Nutzen verkommt. Dabei offenbart sich auch ein gewisses Mentalitätsproblem, ist doch im internationalen Vergleich erkennbar, dass man hierzulande beim Aufbau von Steuerungsarchitekturen allzu sehr Überperfektionismus und Detailverliebtheit walten lässt.
Überkomplexität der Steuerung
Der Verordnungsgeber hat hierauf die einstmals programmatische Vorschrift des § 12 GemHVO NRW a.F. zur Bildung produktorientierter Ziele und Kennzahlen im Jahr 2019 nicht in die neue Kommunalhaushaltsverordnung übernommen, an diesem Reformanliegen in § 4 Absatz 2 KomHVO NRW jedoch grundsätzlich festgehalten. Anstelle dieses eher verstohlenen Vorgehens wäre eine konsequente Abkehr von der kleinteiligen Produktsteuerung im Haushaltsrecht und damit eine Befreiung der Produkthaushalte von ihrer Telefonbuchstärke weitaus ehrlicher und insoweit vorzugswürdig gewesen – zumal ja der Vorbericht für eine „lockere“ Darstellung wesentlicher Ziele und Strategien zur Verfügung steht. Auch die Rückgewinnung des Gesamtüberblicks über den Gesamtkonzern Kommune durch einen konsolidierten
Gesamtabschluss war mit hohen Erwartungen verbunden. Im Zuge der zweiten Weiterentwicklung des NKF hat der Gesetzgeber jedoch recht überraschend die Möglichkeit der größenabhängigen Befreiung von der Erstellung des Gesamtabschlusses nach § 116a GO NRW eröffnet – und diesen damit faktisch abgeschafft, da hierdurch nur noch knapp zehn Prozent aller NRW-Kommunen einen Gesamtabschluss aufstellen müssen. Dabei wäre es naheliegender gewesen, inhaltliche Orientierungen für eine unbürokratischere Aufstellung und haushaltsrechtliche Anbindung des Gesamtabschlusses zu schaffen, zumal die grundsätzliche Frage bis heute offengeblieben ist, ob und inwieweit die konsolidierenden Finanzdaten des Abschlussjahres zur Schließung von Steuerungslücken im Konzern überhaupt geeignet sind.
Änderungen der Spielregeln
Darüber hinaus hat sich leider ein rechtspolitischer Trend verstetigt, mit Hilfe wiederholter Änderungen an den Spielregeln zur Bestimmung des Haushaltsausgleichs kommunale Finanzprobleme kreativ weg zu definieren
bzw. diese zu Lasten der Zukunft zu behandeln. Dabei hat sich der Gesetzgeber durch Zugzwang gebracht: Anders als in anderen Bundesländern stellt der Haushaltsausgleich in NRW auf das Gesamtergebnis anstatt auf das ordentliche Ergebnis ab und bezieht damit außerordentliche Geschäftsvorfälle in den Haushaltsausgleich mit ein. Die Büchse der Pandora wurde sodann im Jahre 2013 geöffnet, als man sich mit Umstufungen von Straßen sowie Wertverlusten kommunaler Aktien im Zuge der Krise des Essener Energiekonzerns RWE konfrontiert sah. Um den Haushaltsausgleich nicht zu belasten, mündeten diese Problemlagen in die Verpflichtung, Erträge und Aufwendungen aus dem Abgang und der Veräußerung von nicht mehr benötigten Vermögensgegenständen sowie Wertveränderungen von Finanzanlagen unmittelbar mit der allgemeinen Rücklage zu verrechnen – mit der Folge irreversiblen Eigenkapitalverzehrs.
Eklatante Verstöße gegen tragende Prinzipien
Dieser Umgang mit außerordentlichen Tatbeständen hat durch die Isolierung von Krisenbelastungen zehn Jahre später eine dramatische Ausweitung erfahren: Man stellt Belastungen wie zum Beispiel der Beschaffung von Schutzmaterialien oder höheren Energiekosten in der Ergebnisrechnung außerordentliche Erträge gegenüber, die man niemals realisiert hat, und bilanziert als Gegenbuchung einen abzuschreibenden Vermögensgegenstand (sic), um sodann beim hehren Ziel der Generationengerechtigkeit für die nächsten 50 Jahre alle fünfe gerade sein zu lassen. Auch wenn man den Kommunen mit diesem Vorgehen kurzfristig Luft zum Atmen bei der Genehmigungsfähigkeit ihrer Haushalte verschafft hat, so hat man dem NKF mit diesen eklatanten Verstößen gegen tragende Prinzipien der kommunalen Doppik wohl endgültig die Unschuld genommen.
Finanzhilfen für krisengebeutelte NRW-Kommunen
Wer meint, kommunale Finanzprobleme über das Haushaltsrecht lösen zu können, hat sich fatal im Rechtsregime geirrt. Anstatt das NKF je nach finanzwirtschaftlicher Großwetterlage immer weiter zu strapazieren, um die Haushaltslage angenehmer darzustellen, als sie in Wahrheit ist, wäre man im Gemeindefinanzierungsgesetz richtig aufgehoben – braucht es doch dringend echte Finanzhilfen für die krisengebeutelten NRW-Kommunen. Eine solche Rechtspolitik wie die in NRW mag Wasser auf die Mühlen all derer sein, die sich im Sinne einheitlicher Standards in der Doppik nachdrücklich für die EPSAS-Einführung einsetzen, um ein immer stärkeres Auseinanderdriften der landesrechtlichen Ausdifferenzierungen des kommunalen Haushaltsrechts zu unterbinden. Jedenfalls bleibt dem NKF zu wünschen, dass es wieder der Vorstellung näherkommt, für die es ursprünglich angetreten war: die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.
Info
Dieser Artikel ist zuerst in der aktuellen DNK-Printausgabe erschienen und fußt auf einem Beitrag in der Zeitschrift „Verwaltung & Management“, Heft 3/2023, S. 125-135. Hier geht es zum Zeitungsabo und hier zur Newsletter-Anmeldung.
