Um die Herausforderungen dieser Zeit zu bewältigen, müssen Kommunen aktiv steuern. Weshalb eine wirkungsorientierte Steuerung nicht nur Fachkenntnisse, sondern auch ein neues Mindset verlangt, erklärt der Frankfurter Revisionsamtsleiter und DNK-Fachbeiratsmitglied Hans-Dieter Wieden.

Herr Wieden, momentan diskutiert die Fachwelt intensiv über relevante Kennzahlen für eine wirkungsorientierte Steuerung. Auch Frankfurts Stadtkämmerer, Bastian Bergerhoff, und Sie tauschen sich intensiv zu diesem Thema aus. Wie weit sind Sie damit in Frankfurt gekommen?

Leider stehen wir noch ganz am Anfang. Bastian Bergerhoff und ich setzen uns sehr für dieses Thema ein, aber ich fürchte, dass die Einführung einer wirkungsorientierten Steuerung auf kommunaler Ebene unter heutigen Bedingungen nahezu unmöglich ist. Uns fehlen einfach die erforderlichen Mitarbeiter mit entsprechenden Fachkenntnissen und Erfahrungen im Controlling – in der Kämmerei und auch in den anderen Dezernaten.

Wirkungsorientiertes Steuern erfordert klare Ziele

Das heißt, die Kommunalverwaltungen müssten zunächst einmal Controller einstellen, um wirkungsorientiert steuern zu können?

Nein, das wäre nicht sehr aussichtsreich. Ich denke, wir müssen vielmehr bei der Ausbildung ansetzen, und zwar genauer gesagt bei den Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung. Das Thema Finanzen ist dort traditionell untergewichtet, und das ist fatal, denn an den Fachhochschulen müssen die Grundlagen gelegt werden. Dazu zählt die Denkweise in Prozessen, Projekten und Kennzahlen. Das erfordert ein vollkommen neues Mindset. Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, kann man später darauf aufbauen – zum Beispiel bietet die KGSt einen 20-tägigen Lehrgang zum Thema Controlling an.

Nehmen wir an, die Verwaltungen würden über ausreichend Controller verfügen. Worin besteht aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung im Bereich der wirkungsorientierten Steuerung?

Die primäre Herausforderung besteht darin, klare Ziele festzulegen. Nehmen wir mal das Beispiel eines Koalitionsvertrags. Darin sind viele Absichten festgehalten, trotzdem ist es schwer, daraus Ziele abzuleiten. Zudem gibt es oftmals Zielkonflikte, wenn jedes Dezernat seine eigenen Ziele definiert.

Verwaltungsaufbau steht im Konflikt zur Digitalisierung

Nun sind ja auch schon in den Verwaltungen Bestrebungen zu sehen, einzelne Bereiche zu zentralisieren.

Ja richtig, wobei das vor dem Hintergrund geschieht, dass ein dezentraler Verwaltungsaufbau im Konflikt zur Digitalisierung steht. Bei der Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie muss unbedingt gesamtstädtisch gedacht werden, denn einzelne Insellösungen sind oft nicht kompatibel. In Frankfurt haben wir ein solches gesamtstädtisches Digitalisierungskonzept entwickelt, und ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir hier nun spürbare Fortschritte machen, aber das hat im Vorfeld viel Überzeugungsarbeit verlangt.

Der Widerstand ist auf gewisse Weise verständlich. Immerhin wurde doch in den vergangenen 20 Jahren viel Arbeit in die Dezentralisierung gesteckt. Muss der Verwaltungsaufbau nun gänzlich in Frage gestellt werden?

Der Aufbau dezentraler Strukturen hatte natürlich gute Gründe. Ich bin aber der Meinung, dass die vollumfänglichen Dezentralisierungen übertrieben waren. Das „Neue Steuerungsmodell“ hätte auch zentrale Serviceprozesse verlangt. Die Ergebnisse sollten gebündelt zur Verfügung gestellt werden. Nebenbei wird kurzfristig auch der durch den demographischen Wandel bedingte Personalnotstand dazu führen, dass an Teilzentralisierungen kein Weg vorbeigeht und Serviceprozesse zentralisiert oder im Wege der interkommunalen Zusammenarbeit gebündelt werden müssen. Je spezifischer die Aufgabe, desto notwendiger! Beispiele sind Rechnungswesen, Personalverwaltung und vor allem die IT. Dieser Prozess gefällt vielen nicht.

Unklar, wie Coronaaufwendungen sauber abzurechnen sind

Sie sprachen eben von einem neuen Mindset. Als es vor 20 Jahren um die Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens und die Ablösung der Kameralistik durch die Doppik ging, war genau das schon einmal Thema. Aktuell hat man aber eher den Eindruck, dass eine gewisse Abkehr von damaligen Zielen stattfindet und die Regularien immer weiter aufgeweicht werden. Entspricht das auch Ihrer Wahrnehmung?

Ja, diese Entwicklung sehe ich seit einigen Jahren, wobei sie von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Auf Nordrhein-Westfalen bezogen habe ich beispielsweise den Eindruck, dass die bilanzrechtlichen Regelungen des Landes allein auf den Haushaltsausgleich abzielen und entsprechend so angepasst werden, dass dieser auch in finanziell angespannteren Zeiten gelingen kann. Eine Haushaltsrücklage wurde schon in der Eröffnungsbilanz gestellt. Coronabedingte Aufwendungen werden auf 50 Jahre abgeschrieben. Das Ganze ist schon recht abenteuerlich – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass gar nicht ganz klar ist, wie man Coronaaufwendungen sauber abrechnen kann, denn wie will man genau abgrenzen, welche Ausgaben tatsächlich pandemiebedingt entstanden sind? Wenn es um die Schaffung neuer Stellen in Bereichen geht, die schon lange unterbesetzt waren, ist das höchst fragwürdig.

Politik zu kurzatmig für outputorientierte Planung

Die Doppik sollte zu mehr Transparenz führen. Gegenteiliges stellen wir gerade fest. Ist die Doppik damit grundsätzlich in Frage zu stellen?

So weit würde ich nicht gehen. Allerdings haben wir das Problem, dass die Kommunen trotz doppischer Buchführung zumeist noch inputorientiert planen. Besser wäre es outputorientiert bzw. outcomeorientiert zu planen und wirkungsorientiert zu steuern. Das lässt sich auch nicht so leicht ändern, weil die Politik doch eher kurzatmig ist und sich an der Jahresplanung oder an Legislaturperioden orientiert. Schaut man aber auf die Wirkung einzelner Maßnahmen, geht es oftmals um längere Zeiträume. Beispielsweise im Bereich der Jugendhilfe sind die Früchte einzelner Maßnahmen erst nach zehn bis 15 Jahren zu ernten, wenn eine erfolgreiche Jugendarbeit beispielsweise dazu geführt hat, dass es eine geringere Arbeitslosigkeit unter den jungen Menschen gibt. Das ist ein Grundkonflikt, der sehr schwer aufzuheben ist. Ganz nebenbei gesagt weigern sich der Bund und die meisten Länder immer noch beharrlich, auf die Doppik umzustellen. Das ist ein echtes Problem, denn die Doppik ist der Mindeststandard, um die übergeordneten Ziele „nachhaltige Finanzen“ und „Generationengerechtigkeit“ verfolgen zu können.

v.wilke@derneuekaemmerer.de

Info

Das Interview mit Hans-Dieter Wieden ist zuerst in der aktuellen Ausgabe 1/2023 von Der Neue Kämmerer erschienen. Hier geht es zum Zeitungsabo und hier zur Newsletter-Anmeldung.

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