Nordrhein-Westfalen arbeitet an einer weitreichenden Reform des Haushaltsrechts. Dazu hat das Kabinett der schwarz-grünen Landesregierung in der vergangenen Woche das „3. NKF-Weiterentwicklungsgesetz“ beschlossen. Das Gesetz sieht wesentliche Änderungen unter anderem beim Haushaltsausgleich und der Pflicht zur Erstellung von Haushaltssicherungskonzepten vor.
Neu eingeführt werden soll daher als Instrument ein Verlustvortrag: Kommunen müssten Fehlbeträge dann künftig am Jahresende nicht mehr komplett ausgleichen, sondern könnten diese auf drei Jahre vortragen. Unklar ist dabei allerdings, ob diese Regelung optional sein soll oder verpflichtend: Während im Gesetzesentwurf von „kann“ die Rede ist, spricht die Gesetzesbegründung ausdrücklich von einem Vorrang des Verlustvortrags.
Rechnerische Änderungen für kommunale Haushalte
Eine weitere rechnerische Änderung ist die Erhöhung des globalen Minderaufwands von 1 auf 2 Prozent der ordentlichen Aufwendungen, um einen Jahresfehlbetrag zu reduzieren. Allerdings: Auf den globalen Minderaufwand und – wie bisher – die Ausgleichsrücklage sollen Kommunen künftig nur noch „nach Ausnutzung aller Sparmöglichkeiten und Ausschöpfung aller Ertragsmöglichkeiten“ zurückgreifen können. Unklar ist, ob damit etwa eine implizite Pflicht verbunden sein könnte, Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuern hochzusetzen, sofern Kommunen hier aktuell unter dem gewogenen Durchschnitt liegen.
Gleichzeitig reduziert der Gesetzesentwurf die Tatbestände, die bisher eine Pflicht zur Erstellung eines Haushaltssicherungskonzepts ausgelöst haben. Kommunen sollen demnach künftig nur noch dann in die Haushaltssicherung abrutschen, wenn sie bilanziell überschuldet sind oder im Planjahr mindestens 25 Prozent der allgemeinen Rücklage aufgezehrt haben. Die Pflicht soll dagegen nicht mehr gelten, wenn die allgemeine Rücklage innerhalb von zwei Jahren um mehr als 5 Prozent verbraucht worden ist.
Strenge Vorgaben für neue Kassenkredite
Der größte Knackpunkt dürfte in der Praxis aber eine Regelung sein, die künftig für neue Kassenkredite gelten soll: Ab dem kommenden Jahr sollen Kommunen Kassenkredite innerhalb von 36 Monaten wieder zurückführen müssen. Diese Regelung wirke der weiteren Verschuldung entgegen und stärke den generationengerechten Handlungsauftrag, heißt es dazu in der Begründung. Informierten Kreisen zufolge soll NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach wütender Protest von kommunaler Seite entgegengeschlagen sein, als sie diese Vorgaben erstmals vorstellte.
Dem Vernehmen nach soll die NRW-Regierung mit dieser Maßgabe vor allem ein Signal nach Berlin senden wollen: Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte im Sommer die NRW-Pläne für eine Altschuldenlösung scharf kritisiert und eine finanzielle Beteiligung des Bundes unter den damaligen Voraussetzungen ausgeschlossen. Das Land hatte seine Pläne daraufhin vertagt und eine Überarbeitung gemeinsam mit kommunalen Vertretern in Aussicht gestellt.
Keine zusätzlichen Landesgelder
Indes: In Berlin sieht man nicht nur die Neuverschuldungsmöglichkeiten kritisch, die die Effekte von möglichen Altschuldenhilfen wieder aufheben könnten, sondern besonders die Tatsache, dass das Land bei der Entschuldung seiner Kommunen nach seinen ursprünglichen Plänen keinerlei eigenes Geld in die Hand nehmen wollte. Auch im 3. NKF-Weiterentwicklungsgesetz sind nun keine zusätzlichen Landesgelder eingeplant, um den Kommunen finanziell unter die Arme zu greifen. Das Land habe immer wieder darauf verwiesen, dass es dazu schlicht keine Mittel habe, heißt es.
Ob es im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch einmal zu deutlichen Änderungen der Pläne kommen wird, ist offen. Klar ist aber, dass es jetzt schnell gehen soll. Nach dem Willen des Kommunalministeriums soll das Gesetz im Februar den Landtag passieren und dann rückwirkend zum Jahresende 2023 in Kraft treten.
s.doebeling@derneuekaemmerer.de
Dr. Sarah Döbeling ist gemeinsam mit Vanessa Wilke Chefredakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Sarah Döbeling hat Rechtswissenschaften in Kiel studiert und zu einem konzernrechtlichen Thema promoviert. Im Anschluss an ihr Volontariat bei der F.A.Z. BUSINESS MEDIA GmbH war sie bis 2015 Redakteurin des Magazins „FINANCE“ und verantwortete zudem redaktionell die Bereiche Recht und Compliance innerhalb von F.A.Z. BUSINESS MEDIA. Nach weiteren Stationen beim Deutschen Fachverlag und in einer insolvenzrechtlich ausgerichteten Kanzlei kehrte Sarah Döbeling im September 2017 in die F.A.Z.-Verlagsgruppe zurück und leitet seitdem die Redaktion der Zeitung „Der Neue Kämmerer“.