Weltweit wurden von Januar bis September 2024 mehr als 3.000 nachhaltige Anleihen mit einem Gesamtvolumen von über 800 Milliarden US-Dollar begeben. Der öffentliche Sektor hat für die Entwicklung dieses Marktes für grüne, soziale und nachhaltige („Green, Social und Sustainable“ – GSS) Anleihen eine herausragende Rolle gespielt. Der Bund begibt seit 2020 grüne Anleihen. Im selben Jahr kam mit einem Social Bond der bayerischen Landeshauptstadt München auch eine große Kommune an den Markt für nachhaltige Anleihen; im letzten Jahr folgte mit der „Münchener Stadtanleihe 2024“ ihr erster Green Bond.
Grundsätzlich bringen Kommunen gute Voraussetzungen für GSS-Anleihen mit. Im Zuge der allgemeinen Daseinsvorsorge und mit ihren Infrastrukturmaßnahmen müssen sie ohnehin Projekte finanzieren, die sich gut unter den Rahmen nachhaltiger Anlagen fassen lassen. Dennoch ist der Anteil grüner Emissionen an den Finanzierungen im kommunalen Umfeld überschaubar, für Deutschland beträgt er geschätzt weniger als zehn Prozent.
Doch die Tendenz zeigt nach oben. Die europäische Agentur für ESG- und Kreditanalysen EthiFinance hat bereits für über zwei Dutzend Kommunen sogenannte „Second Party Opinions“ zu ihren grünen Finanzinstrumenten erstellt. Damit verifiziert die Ratingagentur die Übereinstimmung mit dem Rahmenwerk, auf dessen Basis die Emission erfolgt, und prüft die Prozesse des Emittenten sowie die Nachhaltigkeitswirkungen der Investments.
Grüne Investments gefragt
Die Erstellung eines solchen Rahmenwerks ist mit einem hohen Aufwand für Kämmerer verbunden. Die Prinzipien der International Capital Market Association (ICMA), die sich mittlerweile als Marktstandard etabliert haben, definieren hohe Anforderungen, was die Transparenz über die Verwendung der Emissionserlöse, den Prozess der Projektbewertung und -auswahl, das Management der Erlöse sowie in der Berichterstattung angeht. Dafür muss eine Kommune erst einmal Strukturen schaffen.
Dennoch überwiegen die Vorteile von GSS-Anleihen: Die Nachfrage ist höher als bei konventionellen Kommunalanleihen. So können Emittenten mitunter sogar finanzielle Vorteile erzielen; der Spread zwischen GSS- und konventionellen Anleihen (das sogenannte „Greenium“) ist zwar mit dem Wachstum des Marktes abgeschmolzen. Je nach Produkt und Laufzeit ist aber immer noch ein Zinsvorteil von 1 bis 3 Basispunkten zu erzielen. Und der finanzielle Aspekt ist ohnehin nur einer unter mehreren; noch attraktiver dürfte der Imagegewinn für die Stadt sein, die sich damit als Vorreiter im nachhaltigen Wirtschaften empfiehlt. Dies kann helfen, neue Investorengruppen zu erschließen.
Für viele Investoren kommt es mittlerweile nicht mehr unbedingt auf den letzten Cent, sondern vor allem darauf an, dass sie mit der Allokation einer GSS-Anleihe ihr Portfolio der Regulierung entsprechend „grüner“ machen. Dabei spielt wiederum eine entscheidende Rolle, inwieweit die Rahmenwerke der Emittenten den ICMA-Prinzipien folgen.
66 Rahmenwerke im Fokus
Dies hat EthiFinance in einer Studie über 66 Rahmenwerke aus den Jahren 2021 bis 2024 untersucht. Kernergebnis der Analyse: Die Qualität der Rahmenwerke öffentlicher Emittenten hat sich in den letzten Jahren stetig verbessert, sowohl in der Genauigkeit als auch in der Relevanz.
In vier definierten Kategorien – Basic, Intermediate, Advanced und Leader – fällt 2024 kein Emittent mehr unter „Basic“. 2021 waren es noch mehr als 40 Prozent. Jetzt werden die meisten Rahmenwerke als „Advanced“ oder „Leader“ eingestuft. Das durchschnittliche Qualitätsniveau der Rahmenwerke für GSS-Anleihen von europäischen öffentlichen Institutionen, basierend auf den ICMA-Grundsätzen für diese Bonds, ist 2024 auf 56/100 gestiegen. Zum Vergleich: 2021 wurde noch ein Score von 47/100 (Intermediate) gemessen, der sich 2022 auf 50/100 (Intermediate) verbesserte. Im Jahr 2023 kam der Sprung auf 54/100 (Advanced).
Die Qualitätsniveaus variieren jedoch zwischen den vier Kernkomponenten (Säulen) der Green Bond Principles: 1. Verwendung der Emissionserlöse (Use of Proceeds), 2. Prozess der Projektbewertung und -auswahl (Process for Project Evaluation & Selection), 3. Management der Erlöse (Management of Proceeds) und 4. Berichterstattung (Reporting).
Differenzierte Anforderungen an Emittenten
Im Bereich der Verwendung der Erlöse wird von den Emittenten erwartet, dass sie das Verfahren darlegen, mit dem sie bestimmen, wie die Projekte in die Kategorien der in der ersten Säule beschriebenen förderfähigen Projekte passen. Hier stieg die durchschnittliche Qualitätsbewertung von 59/100 im Jahr 2021 auf 65/100 im vorigen Jahr. Die meisten Rahmenwerke enthalten laut Studie nun detaillierte und klare Projektbeschreibungen und stimmen mit den ICMA-Kategorien überein.
75 Prozent der Emittenten befassen sich nun mit sozialem und ökologischem Risikomanagement (gegenüber 13 Prozent im Jahr 2021), und 80 Prozent der Projektauswahlausschüsse umfassen ESG-Experten (gegenüber 56 Prozent im Jahr 2021).
Der Bereich „Management der Erlöse“ stellt sicher, dass die Mittel aus GSS-Anleihen ausschließlich für förderfähige Projekte verwendet werden und dass die Verfolgung und Verwaltung der Mittel nachvollziehbar sind. Hier stieg die durchschnittliche Punktzahl von 47/100 im Jahr 2021 auf 61/100 im Jahr 2024, da 86 Prozent der Emittenten nun Methoden zur Fondsverfolgung angeben und 53 Prozent seit 2023 zur Verwaltung in abgetrennten Portfolios übergegangen sind.
Sprung nach vorne bei der Berichterstattung
Den größten Fortschritt gab es bei der Berichterstattung: Während 2021 nur 25 Prozent eine externe Prüfung der Berichterstattung über Erlösverwendung und Auswirkungen vorsahen, waren es 2024 doppelt so viele Rahmenwerke. Die meisten öffentlichen Emittenten geben Indikatoren für die Messung der Wirkung (KPI) an, jedoch nur einer hat quantifiziert, welche Wirkung er konkret erzielen will. Für die jährlichen Aktualisierungen der Zuteilung von GSS-Anleiheerlösen und der Berichterstattung über die Auswirkungen stieg der Score über den Berichtszeitraum und die Grundgesamtheit der 66 Emissionen nur leicht von 48/100 (2021) auf 50/100 (2024) an.
Aussagekräftige Kriterien und eine höhere Transparenz sind wichtige Grundlagen für das Vertrauen der Anleger – gerade jetzt, wo nachhaltige Finanzierungen in ein dynamisches politisches Fahrwasser geraten. Öffentliche Emittenten können hier zu Vorbildern und Katalysatoren werden, die den Markt für nachhaltige Anleihen mit hohen Standards fördern und weiterentwickeln.
Info
Dr. Julia Haake ist Head of ESG Rating Agency bei EthiFinance.
Dieser Gastbeitrag ist zuerst in der der aktuellen Zeitungsausgabe 2/2025 von Der Neue Kämmerer erschienen.