Zinsswaps in Kommunen: „Vor dem Einsatz Zeit nehmen“

Seit wann nutzt die Stadt Dormagen Zinsswaps?Wir beschäftigen uns seit 2014 mit dem Thema Zinssteuerung. Ende 2014 hat der Rat dann den Beschluss gefasst, dass die Stadt eine aktive Zinssteuerung betreiben soll. Zur Unterstützung haben wir einen externen Dienstleister dazugeholt. Das war wichtig, da wir nicht die gesamte Expertise im Rathaus vorhalten können, um zum Beispiel Marktanalysen zu machen. Ab 2018 haben wir dann angefangen, Zinsswaps zu nutzen, nachdem wir vorher genau die Entwicklung des Zinsniveaus beobachtet haben. Ab diesem Zeitpunkt war das Zinsniveau für uns passend.Viele Kommunen haben in der Vergangenheit mit spekulativen Derivaten massive Verluste eingefahren, den Kämmerern ist zum Teil „Zockerei“ vorgeworfen worden. Hatten Sie keine Berührungsängste bei diesem Thema?Nein, ich war vorher „auf der anderen Seite“ unterwegs: Ich habe als Banker bei der NRW.Bank das kommunale Schuldenmanagement mit aufgebaut und damals auch Kommunen dabei geholfen, ihre hochtoxischen Derivate aufzulösen und eine Zinssteuerung zu etablieren.Das heißt, Sie wussten exakt, was rechtlich möglich ist und was nicht.Ich konnte die Produkte schon gut bewerten. Nach der zweiten Welle, in der Kommunen spekulative CMS-Spread-Ladder-Swaps abgeschlossen haben, hat das Land Nordrhein-Westfalen seinen Krediterlass zum Umgang mit Derivaten geändert. Damit war dann klar, dass der Einsatz von CMS-Spread-Ladder-Swaps und ähnlichen Produkten verboten ist.Auf welche Arten von Swaps setzen Sie in Dormagen?Wir setzen Plain-Vanilla-Zinsswaps ein: Wir tauschen eine variable gegen eine feste Verzinsung oder umgekehrt. Es ist eigentlich wie im Supermarkt: Wenn ich in 14 Tagen Geburtstag habe und heute sehe, dass die Bockwürstchen im Angebot sind, dann bevorrate ich mich jetzt. Genauso schauen wir regelmäßig auf unsere Finanzierungen. Wenn wir zum Beispiel wissen, dass wir in fünf Jahren ein Darlehen prolongieren müssen und uns jetzt einen Zinssatz von 2 Prozent sichern können, dann sichern wir uns dieses Niveau von 2 Prozent mit einem Festzinszahlerswap, das heißt, wir zahlen den festen Zinssatz von 2 Prozent und erhalten einen variablen Zinssatz. Die Prolongation nehmen wir dann mit einem variablen Zinssatz auf. Betrachtet man die Prolongation und den Festzinszahlerswap, so zahlen wir netto nur den Festzinssatz von 2 Prozent. Wir schauen uns regelmäßig die Zinsentwicklung und unsere Zinsrisiken an und prüfen, ob wir uns einen günstigen Zinssatz einkaufen können. Anders als bei den CMS-Spread-Ladder-Swaps wissen wir also, was wir maximal zahlen müssen. Ein Risiko gibt es aber natürlich immer – wenn ich ein Haus baue und mich mit der Finanzierung auf fünf Jahre festlege anstatt auf zehn oder umgekehrt, weiß ich auch vorher nicht, ob es eine bessere Entscheidung gibt.Viele Kommunen halten sich bis heute aus Prinzip beim Thema Derivate zurück. Da dürften Ihre Kollegen aus anderen Kommunen bei Ihrer Herangehensweise doch hellhörig werden.Ich bekomme immer wieder mal Anfragen zu dem Thema. Kollegen interessieren sich dafür, wie unser Regelwerk aussieht und wie wir die Politik mitnehmen.Und, wie machen Sie das?Das Wichtigste, bevor wir mit der aktiven Zinssteuerung angefangen haben, war, einen politischen Rahmen über Beschlüsse und durch eine Dienstanweisung zu schaffen, dass wir eine aktive Zinssteuerung aufbauen sollen. Außerdem braucht man ein entsprechendes Berichtswesen und Controlling: Neben unserem vierteljährlichen Produktbericht haben wir einen Zinssteuerungsbericht etabliert. Gleichzeitig gibt es eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus allen Ratsfraktionen, dem Fachbereich Finanzen und mir, die regelmäßig überprüft, was sich bei der Stadt verändert hat, ob unsere Maßnahmen alle noch passen und wir alle rechtlichen Grundlagen einhalten. Hinzu kommt zweimal jährlich ein strategischer Termin, bei dem wir uns mit unserem Dienstleister zusammensetzen und Prozesse, Regelungen und das Berichtswesen überprüfen.Würden Sie das Zinsmanagement in der Gestalt, wie die Stadt Dormagen es betreibt, Kollegen in anderen Kommunen uneingeschränkt empfehlen? Oder anders gefragt: Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die verwaltungsseitig dafür gegeben sein müssen?Für den Einsatz von Zinsswaps muss man einen tiefen Blick in sein Portfolio haben und auch einen guten Marktzugang. Ich brauche Marktdaten, um Zinskurven aufzubauen und finanzmathematische Analysen zu fahren. Die meisten Kommunen haben keine Tools wie Bloomberg in der Kämmerei. Deswegen arbeiten wir hier mit einem Dienstleister zusammen. Gleichwohl haben wir im Fachbereich Finanzen aber auch Treasury-Expertise aufgebaut. Wir haben einen Mitarbeiter mit Bankenhintergrund gefunden, der auch als Sparringspartner für den Dienstleister fungiert. Die Swaps sind aber ja auch nur ein Instrument; das Thema aktive Zinssteuerung bietet noch viel mehr Maßnahmen, um Zinsrisiken zu reduzieren.Worauf kommt es sonst noch an?Kommunen sollten sich vor dem Einsatz von Swaps Zeit nehmen. Die Stadt Dormagen hat das Zinsmanagement schon ins Leben gerufen, bevor ich Kämmerer wurde. Der Einsatz von Zinsswaps hat sich aber eine ganze Zeit lang überhaupt nicht gerechnet. Wir haben den Markt lange beobachtet, bis die Bedingungen gepasst haben. Die Auswirkungen auf das Portfolio müssen klar sein, ein Schnellschuss empfiehlt sich bei diesem Thema nicht. Wir steuern unser Schuldenportfolio über einen Betrachtungshorizont von 30 Jahren. Unser Ziel ist es, die Zinsen langfristig zu sichern und uns nicht kurzfristig Spekulationen hereinzuholen. Der Sicherungsaspekt ist wichtiger als der Handelsaspekt. Übrigens: Zinsmanagement fängt ja eigentlich schon damit an, dass ich mir Gedanken darüber mache, welches Darlehen ich zu welchem Zinssatz abschließe, wann ich es auslaufen lasse und so weiter. Eigentlich fahren alle Kämmereien diesen Ansatz, ohne sich bewusst zu sein, dass sie damit schon Zinssteuerung betreiben.s.doebeling@derneuekaemmerer.deInfoTorsten Spillmann ist seit Anfang 2021 Kämmerer und Beigeordneter der Stadt Dormagen. Dieser Gastbeitrag ist zuerst in der aktuellen Ausgabe 4/2023 von Der Neue Kämmerer erschienen.

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