Herr Murrack, der Städtetag NRW bereitet aktuell eine Kommunalverfassungsbeschwerde vor. Duisburg unterstützt dabei die klageführenden kreisfreien Städte Bonn, Bottrop, Dortmund, Düsseldorf, Köln, Münster, Solingen und Wuppertal. Grob gesprochen, geht es um eine aus dem neu gestalteten Gemeindefinanzierungsgesetz 2022 resultierende Ungleichbehandlung zwischen kreisfreien Städten und kreisangehörigen Gemeinden. Worum geht es im Detail?
Unsere Kritik am Gemeindefinanzierungsgesetz 2022 bezieht sich auf zwei Punkte. Zum einen geht es uns um die Kreditierung der Aufstockungsmittel aus dem NRW-Rettungsschirm. Wir müssen damit rechnen, dass sich das Land die Mittel zurückholen und die Rückzahlung zu einer erheblichen Belastung in den kommenden Jahren führen wird. Zum anderen geht es um die Einführung differenzierter fiktiver Hebesätze, und darauf bezieht sich die Verfassungsbeschwerde. Das Land unterstellt den kreisfreien Städten bei der Grundsteuer und Gewerbesteuer höhere Steuersätze als den kreisangehörigen Gemeinden. Es begründet diesen Schritt damit, dass sich die kreisfreien Städte höhere Hebesätze leisten können als kleinere Kommunen. Allerdings mussten nicht nur die Stadt Duisburg, sondern auch eine Vielzahl finanzschwacher, kreisfreier Städte bereits im Rahmen des Stärkungspakts Gewerbe- und Grundsteuer anheben. Diese Städte waren und sind extrem vom Strukturwandel, den sozialen Folgen und dadurch begründeter akuter Finanznot betroffen. Deshalb kann man nicht davon reden, dass wir uns höhere Steuern leisten können, sondern wir mussten gezwungenermaßen die Steuern anheben, was die Attraktivität dieser Städte massiv einschränkt. Daher müsste die Argumentation des Gutachtens und die entsprechende Gewichtung im GFG eigentlich umgekehrt sein.
Um welche Beträge geht es dabei?
Insgesamt geht es dabei um 119 Millionen Euro. In Duisburg werden es im Jahr 2022 5,5 Millionen Euro sein. Ab 2023 rechnen wir mit einer Belastung von 10 Millionen Euro. Das trifft uns hart. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren 800 Millionen Euro Kassenkredite abgebaut. Bis Ende des Jahres wollten wir unsere bilanzielle Überschuldung endlich überwunden haben und im kommenden Jahr ohne Auflagen eines Haushaltssicherungskonzeptes über unsere Finanzmittel verfügen. Wir hatten es endlich geschafft, uns freizuschwimmen.
Was hat die Landesregierung zu dieser Reform veranlasst? Hatten die kreisangehörigen Gemeinden einen solchen Schritt gefordert? Gibt es Unfrieden in der kommunalen Familie?
Nein, das ist mir nicht bekannt. Der Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund halten sich bis heute in der Sache zurück. Eine Spaltung zwischen kreisfreien und kreisangehörigen Städten zeichnet sich für mich nicht ab. Bei der Kreditierung ziehen wir ohnehin alle an einem Strang. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass die Landesregierung vor den Landtagswahlen im Mai den kreisangehörigen Gemeinden noch einen Gefallen tun möchte. So etwas wäre nicht ganz ungewöhnlich. So war der Stärkungspakt eine Initiative der damaligen rot-grünen Landesregierung – zur Unterstützung kreisfreier Städte – allerdings weniger als Umverteilungsinstrument, denn als zeitlich begrenzte Hilfe zur Selbsthilfe. Hier haben wir es mit einem auf Dauer angelegten Umverteilungsmechanismus zu tun. Und: bei einer konservativen Landesregierung profitiert tendenziell immer mehr der ländliche Raum. Das sind Rituale, gegen die wir machtlos sind.
Wie schätzen Sie denn Ihre Chancen bezüglich einer Altschuldenlösung ein? Die NRW-Innenministerin, Ina Scharrenbach, hatte doch vor zwei Jahren dazu eine Lösung angekündigt. Beim Kommunalen Finanzmarktforum der NRW.Bank verwies sie noch im Januar darauf, dass das Land dazu Gespräche mit der Bundesregierung führen werde. Zeichnet sich da eine Lösung ab?
Aus meiner Sicht ist die Altschuldenregelung, die im Koalitionsvertrag auf Landesebene vereinbart war, vom Tisch. Rheinland-Pfalz, das Saarland und Hessen haben Lösungen für ihre von Altschulden betroffenen Kommunen gefunden. Soweit ich informiert bin, hatte es auch für die NRW-Kommunen ein Konzept gegeben, worauf man sich innerhalb der Landesregierung jedoch nicht einigen konnte. Vor den Landtagswahlen wird in der Sache nun mit Sicherheit nichts mehr passieren. Was anschließend kommt, müssen wir abwarten.
Nach Jahrzehnten struktureller Haushaltsdefizite soll es auch in Duisburg nun darum gehen, Investitionen in die Zukunft der Stadt zu tätigen. Fühlen Sie sich den damit verbundenen Herausforderungen gewachsen?
Leider nicht. Wir haben innerhalb der Verwaltung massive Probleme, weil wir in den vergangenen Jahren wegen des Konsolidierungsdrucks viel Personal abbauen mussten. Deshalb fehlt es uns besonders an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die über den für Investitionsprojekte erforderlichen Bausachverstand verfügen. Um unsere vielen Schulneubauprojekte durchführen zu können, haben wir jetzt eine Schulbaugesellschaft gründen müssen. Aber selbst mit solchen kreativen Maßnahmen sind unsere operativen Spielräume begrenzt.
Nun beschreiten Sie also den Klageweg und stellen sich gegen das Land. Aber vermutlich wird es lange dauern, bis das Verfassungsgericht urteilt, oder glauben Sie an einen schnellen Erfolg?
Die Klageschrift soll in den kommenden Monaten vorbereitet und noch vor der Wahl eingereicht werden. Ich denke, das wird auch so klappen. Das Verfahren wird sich dann aber vermutlich über ein bis zwei Jahre hinziehen. Insofern werden wir etwas Ausdauer brauchen. Allgemein möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass uns die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft (KdU) sehr geholfen und etwas Luft verschafft hat. Nur müssen wir mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, soweit wie eben möglich unsere Altschulden abbauen, anstatt Sinnvolles damit zu tun. Die Ungleichheit zwischen den Städten vergrößert sich deshalb in den kommenden Jahren, die differenzierten fiktiven Hebesätze verschärfen diesen Trend nochmals.