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Epidemie-Gesetz in NRW: Offenbar Panne bei Haushaltssperren-Passus

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Das passiert nicht alle Tage: Dem Nordrhein-Westfälischen Landtag ist bei der Verkündung des aufgrund der Coronakrise beschlossenen Epidemie-Gesetzes offenbar ein Übertragungsfehler unterlaufen. Das hat DNK aus mehreren unabhängigen Quellen erfahren. Ein Paragraf, der die Gemeindeordnung ändern sollte, wurde demnach beschlossen, anschließend aber nicht ausgefertigt. Der Landtag konnte auf Nachfrage bisher keine "inhaltliche Bewertung oder rechtliche Einschätzung" geben, wieso der entscheidende Passus verschwunden ist.

Nach DNK-Informationen wird der Landtag den Fehler voraussichtlich noch in dieser Woche berichtigen. Der Präsident kann demnach eine Berichtigung veranlassen, wenn in der abgenommenen Schlussfassung des Gesetzes Druckfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten festgestellt werden. Der Landtag könnte den Paragrafen also ohne erneute Abstimmung wieder hinzufügen. Die Berichtigung muss dem Plenum aber in jedem Fall mitgeteilt werden.

Diskussionen um neues Epidemie-Gesetz in NRW

Der erste Entwurf des neuen Epidemie-Gesetzes hatte zu hitzigen Debatten geführt. SPD und Grüne hatten den ursprünglichen Gesetzesentwurf gar als verfassungswidrig bezeichnet. Einige strittige Punkte wurden deshalb nach der ersten Lesung modifiziert. Die vorgesehene Änderung in der Gemeindeordnung war hiervon laut DNK-Informationen allerdings nicht betroffen und auch nicht Gegenstand einer Debatte.

Der nun verschwundene Paragraf bezieht sich auf die Nachtragssatzung und könnte entscheidend für Kämmerer sowie eventuell geplante Haushaltssperren sein. Denn laut Gesetzesentwurf sollte der Passus dem Stadtrat für das Haushaltsjahr 2020 das Recht nehmen, eine vom Kämmerer verhängte Haushaltssperre wieder aufzuheben. Dadurch wären Kommunen im Zuge der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie handlungsfähiger, ein zentraler demokratischer Prozess wäre aber vorerst ausgesetzt.

Wirrwarr um Haushaltssperre in Essen geht weiter

Der Zeitpunkt der Korrektur des verschwundenen Paragrafen könnte eine Rolle spielen. Denn diesen Freitag findet in Essen eine Sondersitzung des Stadtrates mit dem Tagesordnungspunkt Haushaltssperre statt. Die Grünen wollen weiter gegen die Sparmaßnahmen vorgehen, selbst wenn der Paragraf wieder auftauchen und bis dahin auch greifen sollte, sagt Mehrdad Mostofizadeh, Kommunalpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag NRW, gegenüber DNK.

Denn laut den Grünen hat die Änderung lediglich einen deklaratorischen Charakter. „Der Rat wird durch das neue Gesetz nicht entmachtet“, nimmt Mostofizadeh Bezug auf eine frühere Aussage von Essens Stadtkämmerer Gerhard Grabenkamp (CDU). Das Ziel des zusätzlichen Paragrafen sei lediglich, dass die Kommunen wegen coronabedingter Liquiditätsschwächen nicht zwingend Nachtragshaushalte erstellen müssten. „Da es nur eine Änderung in der Nachtragssatzung gibt, die Zuständigkeiten des Rates aber unberührt bleiben, kann der Stadtrat in Essen die Haushaltssperre weiterhin aufheben“, meint Mostofizadeh. 

„Der Stadtrat in Essen kann die Haushaltssperre weiterhin aufheben.“

Mehrdad Mostofizadeh, Grüne NRW

Essens Kämmerer Grabenkamp sieht das naturgemäß anders. Sein Recht, den Haushalt zu sperren, zieht er aus der Kommunalhaushaltsverordnung. Der Paragraf, der jetzt laut Epidemie-Gesetz wegfallen soll, schränkt die Befugnisse des Kämmerers normalerweise tatsächlich ein. Kämmerer Grabenkamp hat aber in jedem Fall gute Karten, mit der Haushaltssperre durchzukommen: Die Große Koalition aus CDU und SPD hat 58 der 90 Sitze im Essener Stadtrat, die Grünen hingegen nur neun. Die SPD hat ihrem Koalitionspartner bereits ihre Unterstützung signalisiert. 

alexandra.jarchau(*)frankfurt-bm(.)com

Info

Update 23. April: Das Land NRW hat das Gesetz mittlerweile berichtigt und den fehlenden Passus hinzugefügt.

Alles Wissenswerte zum Thema Haushaltssperre finden Sie auf unserer DNK-Themenseite. Mehr dazu, wie Kommunen und ihre Kämmerer mit der derzeitigen Situation umgehen, gibt es auf der DNK-Themenseite Coronakrise.