Mit Preiserhöhungen reagieren die Stadtwerke auf eine extrem unsichere Marktlage. Liquidität bleibt Trumpf.

Zahlreiche Stadtwerke haben im vergangenen Jahr eine kräftige Erhöhung der Grund- und Arbeitspreise für die Stromversorgung angekündigt. Zumeist zu Jahresbeginn 2023 treten die Erhöhungen in Kraft. Allerdings fallen sie dank staatlicher Eingriffe und einer Marktberuhigung geringer aus als befürchtet.

Die Stadtwerke München verdoppelten Anfang November den Preis für die Kilowattstunde Strom. In der Beispielrechnung für zwei Personen und einen Jahresverbrauch von 2.500 kWh kostet der Strom ab Januar 2023 mit 139,64 Euro pro Monat immerhin 122,7 Prozent mehr als im Juli 2022. Zur Begründung hieß es aus der Pressestelle: „Nachdem die Strompreise zum 1. Juli 2022 aufgrund der weggefallenen EEG-Umlage um knapp 13 Prozent gesunken waren, schlagen nun auch hier die historisch hohen Handelspreise der vergangenen Monate durch. Darüber hinaus steigen die Netzentgelte und in einem geringen Maße die gesetzlichen Umlagen.“

Bereits am 18. Oktober mussten die Stadtwerke die Gaspreise zum Jahreswechsel anheben. Für den Durchschnittshaushalt mit 20.000 kWh Jahresverbrauch steigen die monatlichen Kosten um 93,1 Prozent gegenüber dem aktuellen Niveau auf 307,41 Euro. Stefan Tauber, Leiter des Kundenservices, sagt zur Begründung: „Die SWM können die extrem hohen Beschaffungskosten nicht mehr abfedern.“

Ähnlich sieht es derzeit auch in anderen Städten aus. In Leipzig erhöhen die Stadtwerke die Strompreise um 83 Prozent und die Gaspreise – nach einer Anhebung im Oktober – um weitere 5 Prozent. Für Bestandskunden in bislang günstigen Tarifen verteuert sich die Gasrechnung allerdings um 198 Prozent.

Wesentlich geringer sind die Anhebungen bei den Stadtwerken Trier. Sie erhöhen den Strompreis in der Grundversorgung um 34 Prozent, beim Gaspreis sind es 56 Prozent. „Wir liegen mit unseren Preisanpassungen sowohl in der Grundversorgung als auch mit den Sonderverträgen niedriger als der Wettbewerb und bleiben mit den neuen Preisen deutlich unter den angekündigten Preisbremsen“, heißt es dazu aus der Pressestelle.

Verlässlichkeit kostet

Zum Beschaffungsprozess äußerten sich die Stadtwerke Osnabrück auf Anfrage von DNK: „Wie viele weitere Energieanbieter beschaffen auch wir die benötigten Strom- und Gasmengen für unsere Privatkunden im Wesentlichen bis zu zwei Jahre im Voraus und über mehrere Beschaffungsperioden hinweg am Terminmarkt. Diese vorausschauende Beschaffungsstrategie ist risikoarm und führt zu vergleichsweise stabilen Preisen, da die Marktschwankungen ‚geglättet‘ werden können. Die in den vergangenen Monaten rasant gestiegenen Marktpreise werden sich somit erst in den kommenden Monaten sukzessive auf die Endkundenpreise auswirken.“

Einige Stadtwerke konnten sich günstige Preise sichern oder erzeugen selbst günstige Energie. Die Stadtwerke Hamm meldeten am 4. November nur moderate Preiserhöhungen. Die Gaspreise steigen zum 1. Januar 2023 um 1,5 Cent je KWh und damit um 14,76 Prozent. Bei den Strompreisen sind es 1,7 Cent je KWh bzw. 5,05 Prozent. Zur weiteren Preisentwicklung heißt es: Mit einer Beruhigung der Situation auf dem Energiemarkt ist wahrscheinlich erst 2024 zu rechnen. Bis dahin werden auch die Haushalte mit weiterhin steigenden Energiekosten rechnen müssen.“

Preisentwicklung bleibt unklar

Mit Blick auf die Entwicklung der Strom- und Gaspreise zeigt sich aktuell eine deutliche Verringerung gegenüber den Höchstständen von August. So werden Gas-Futures an der niederländischen ICE aktuell wieder auf dem Niveau von Dezember 2021 bepreist. Aufgrund der langfristigen Beschaffung wirken sich die günstigeren Spot-Preise aber erst mit einer deutlichen Verzögerung auf die Tarife aus. Von den Stadtwerken München kommt der Hinweis, dass man niedrigere Einkaufspreise weitergeben werde.

Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung, sagt dazu: „Selbstverständlich werden wir die Strompreise auch wieder senken, sobald es aufgrund der Preisentwicklung am Energiemarkt dafür den Spielraum gibt. Ebenso werden wir die Strompreisbremse der Bundesregierung sofort weitergeben, wenn sie in Kraft tritt.“ Die zwischenzeitlichen Entscheidungen der Bundesregierung führten Anfang Dezember bereits zu einer Tarifsenkung um 10 Cent zum 1. April 2023 – zusätzlich zur Strompreisbremse. Damit liegen die Monatskosten der oben genannten Beispielsrechnung statt bei 139,64 Euro lediglich noch bei 98,99 Euro.

Es sind allerdings auch warnende Stimmen zu hören. Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet mit Engpässen bei der Befüllung der Gasspeicher im Sommer. Ohne russisches Gas und ausreichendes Flüssiggas könnte fast die Hälfte der benötigten Speichermenge fehlen, errechnet die IEA. Die befürchtete Angebotsverknappung wird mit der Erholung der Nachfrage nach Flüssiggas in Asien begründet. Dort dürfte sich die chinesische Wirtschaft im kommenden Jahr von den Einschränkungen zur Pandemiebekämpfung erholen.

Die Stadtwerke müssen also weiterhin damit rechnen, dass die Preise für Gas und Strom wieder steigen und zumindest über dem früheren Niveau liegen. Die Stadtwerke Osnabrück sehen trotz staatlicher Preisbremsen anhaltende Belastungen für die Kunden. „Preissteigerungen werden die Kunden zumindest für den nicht staatlich subventionierten Anteil der Liefermengen von 30 Prozent (Industriekunden) bzw. 20 Prozent (Haushalts- und kleinere Gewerbekunden) von Strom und Gas weiterhin belasten.“

Sicherheitsleistungen belasten

Die Preisspitzen nach dem Lieferstopp über die Nordstream-Pipeline im August stellten einige Stadtwerke vor finanzielle Herausforderungen. So mussten die Stadtwerke Leipzig kurzfristig 230 Millionen Euro an Sicherheiten hinterlegen, um an der europäischen Energiebörse EEX Terminkontrakte abschließen zu können. Die Stadt half mit 400 Millionen Euro aus. Seither sind die Preise allerdings deutlich gesunken. Entsprechend nahm auch der Bedarf an Sicherheitsleistungen ab. Man habe die Kreditlinie der Stadt bislang nicht in Anspruch genommen, sagte Geschäftsführer Maik Piehler gegenüber DNK.

Die „Margin-Calls“ genannten Sicherheitsleistungen dienen an der Strombörse der Absicherung der Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem Marktpreis zum Zeitpunkt der Lieferung. Denn die im August gekaufte Energie wird zum Lieferzeitpunkt möglicherweise nicht zum gleichen Preis verkauft werden können. Um eine Bezahlung sicherzustellen, müssen daher Sicherheitszahlungen geleistet werden. Auf den Konten der Garantiebanken liegen nach Einschätzung von Piehler daher derzeit hohe Milliardensummen, die allerdings nach Erfüllung der Kontrakte zurückfließen.

g.schilling@derneuekaemmerer.de

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Der hier veröffentlichte Beitrag ist bereits in der aktuellen Zeitungsausgabe von Der Neue Kämmerer 04/2022 erschienen. Hier geht es zum Abo und hier zur Newsletter-Anmeldung.

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