Während Nachhaltigkeit einst eher als das Nischenthema der Grünen galt, sehen viele Kommunen es inzwischen als übergeordnetes Ziel, klimaneutral zu werden. Die Hansestädte Hamburg und Bremen haben die Transformation hin zu nachhaltigen Haushalten bereits eingeleitet – das wurde in der vergangenen Woche auf der digitalen Veranstaltung der beiden Stadtstaaten unter der Überschrift „Nachhaltigkeit im öffentlichen Sektor: Zwischen ambitionierten Zielen und praktischer Umsetzung“ in der Landesvertretung Bremen deutlich. So will Hamburg bis 2055 die Emissionen der Stadt um 95 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 verringern. Die Hansestadt Bremen gestaltet ihre Beschaffung seit 2009 nachhaltig um.
Nachhaltige öffentliche Unternehmen
Hamburg könne als Stadtstaat Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Mobilitätswende über die öffentlichen Unternehmen gestalten, sagte Andreas Dressel, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg und Präses der Finanzbehörde Hamburg. „Das nennt sich bei uns nachhaltige Stadtwirtschaft.“ Die Stadt hat 370 Beteiligungen, rund 72.000 Beschäftigte und eine Bilanzsumme ohne Banken von rund 37 Milliarden Euro. Das Eigenkapital beträgt rund 12 Milliarden Euro.
Bedacht werden müsse zwar der – in den Landeshaushaltsordnungen verankerte – Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. In den kommenden Jahren müssten die Kommunen aber auch dafür sorgen, dass sie Mittel so effizient einsetzten, dass sie für jeden investierten Euro möglichst viel CO2 einsparten. Zur Nachhaltigkeit würden neben den Klimazielen auch andere Themenfelder gehören wie etwa Chancengleichheit, Diversität und Bildung, so Dressel.
Stadtwirtschaftsstrategie in Hamburg
Um nachhaltig zu wirtschaften, entwickelt die Stadt Hamburg derzeit für ihre öffentlichen Unternehmen eine Stadtwirtschaftsstrategie inklusive Nachhaltigkeitsberichterstattung. Diese orientiert sich an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDGs). „Das Ziel muss natürlich sein, trotzdem ökonomisch vernünftig zu agieren“, sagte Dressel, der Haushalt dürfe nicht übermäßig belastet werden.
Aufgrund der neuen Strategie habe die Stadt Hamburg etwa während der Coronakrise ihre Ausbildungsverpflichtung antizyklisch erhöht. Während Unternehmen in der freien Wirtschaft weniger Ausbildungsplätze anboten, steigerten die öffentlichen Unternehmen der Hansestadt ihre Quote um 13,8 Prozent.
Bremer Bürgerschaft unterstützt Strategie
Eine der Zielsetzungen in Bremen sei die verantwortungsvolle Beschaffung der öffentlichen Hand, erklärte Dietmar Strehl, Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen. Sozial, ökologisch und gleichzeitig wirtschaftlich zu beschaffen, sei allerdings nicht ganz leicht.
Konkret gab es in Bremen etwa einen Beschluss, um Kinderarbeit zu verhindern. Die Stadt wolle die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen umsetzen, sagte Strehl. Zu den Zielstellungen gehört ebenfalls, einen Beitrag gegen globale Klimaveränderungen und soziale Ungleichheit zu leisten. „Wichtig ist: Das ist politisch begleitet worden“, so Strehl, die Bürgerschaft habe die nachhaltigen Ziele in Bremen unterstützt.
Nachhaltige Beschaffung durch zentrale Strukturen
2009 hätte es noch keine Kompetenzen im Bereich nachhaltiger Beschaffung in der Hansestadt gegeben, erläuterte Strehl. Deshalb habe die Stadt damals angefangen, zentrale Beschaffungsstellen aufzubauen. Ab 2015 habe Bremen einen elektronischen Einkaufkatalog bereitgestellt. Für sozial verantwortliche Beschaffung hat die Stadt 2016 eine Kompetenzstelle geschaffen.
Zudem schreibt die Hansestadt nachhaltige Rahmenverträge aus und bezieht Nachhaltigkeitskriterien im Umfang von bis zu 30 Prozent in die Wertung bei Vergaben ein. Die Beschaffungsstelle für IT habe der Stadtstaat – wie andere Bundesländer auch – zum Green-IT Rechenzentrum von Dataport ausgelagert, sagte Strehl.
Was ist schon nachhaltig?
Die beiden Finanzsenatoren zeigten sich einig, dass es noch einiges zu tun gibt auf dem Weg hin zur nachhaltigen Stadt. Im Zuge der Veranstaltung verwies Strehl allerdings auch darauf, was bereits geschafft ist. Er empfahl anderen Kommunen, sich zu vergegenwärtigen, wo sie bereits nachhaltig agieren.
Er habe in Bremen etwa von jedem Ressort gefordert, aufzuschlüsseln, welche Beträge bereits in den genehmigten Haushalten für den Klimaschutz veranschlagt wurden. Das Ergebnis: Die Stadt Bremen investiert pro Jahr bereits 170 Millionen Euro für den Klimaschutz in ihrem Haushalt. Als Beispiel nannte Strehl etwa Posten für die Meeresforschung.
Haushalt an Nachhaltigkeitszielen ausrichten
In der weiteren Diskussion ging es bei der Veranstaltung um die nachhaltige Finanzierung von Kommunen. Verena Göppert, Ständige Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers und Leiterin des Dezernats Finanzen beim Deutschen Städtetag, ordnete die Rolle der Kommunen aus der übergeordneten Sicht des kommunalen Spitzenverbandes ein.
Beim Thema Nachhaltigkeit würden die Kommunen eine zentrale Rolle spielen, so Göppert. „Wenn wir über Mobilität sprechen, wenn wir über Flächenverbrauch sprechen, Klimaschutz: Das findet ja alles vor Ort in den Kommunen statt.“ Sie verwies auf das laufende Projekt „Nachhaltigkeitshaushalt und Nachhaltigkeitsrendite“ des Difu Instituts. Darin geht es um eine wirkungsorientierte Haushalts- und Verwaltungssteuerung, mit der die kommunalen Finanzressourcen an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet werden sollen.
Nachhaltigkeitsrisiko als Kreditrisiko
Kristina Jeromin, Co-Geschäftsführerin des Green and Sustainable Finance Cluster Germany, unterstrich die Relevanz des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung, in der Hoffnung, dass die neue Regierung diesen in der kommenden Legislaturperiode wieder aufnimmt. Der Beirat berät den Bund hinsichtlich einer Strategie, mit der der Finanzsektor realwirtschaftliche Aktivitäten finanzieren soll, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Jeromin plädierte dafür, dass in den Kommunen Investitionsentscheidungen grundsätzlich vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit getroffen werden sollten. „Wir müssen uns die Frage stellen: Wie wirkt unser Geld?“, so Jeromin. Sie gehe davon aus, dass es in Zukunft nur noch Investments geben werde, die Klimarisiken einbeziehen: „Nicht als moralische Frage, sondern weil das Klimarisiko unter Umständen ein Risiko für den Erfolg der Investition oder des Kredits ist“.
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