Das Corona-Konjunkturpaket, weitere Finanzhilfen für Kommunen ab 2021 und das Altschuldenproblem stehen im Zentrum der Auftaktdebatte beim 16. Deutschen Kämmerertag. Dabei kommt die Frage auf, wie in Krisenzeiten mit neuen Finanzansprüchen an Kommunen umzugehen ist.

Angesichts der Coronakrise sehen deutsche Kämmerer ungewissen Zeiten entgegen, was die kommunalen Haushalte angeht. Indes wolle die Bundesregierung „alles versuchen, ein Auseinanderdriften zu verhindern“. Das sagte Rolf Bösinger, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, auf die Frage, ob die Auswirkungen der Pandemie dazu führen, das Gefälle zwischen finanziell schlecht und gut aufgestellten Kommunen zu vergrößern. Bösinger sprach heute bei einer Podiumsdiskussion des 16. Deutschen Kämmerertags.

Aufgrund der Coronakrise fand der Kongress, der von der Zeitung „Der Neue Kämmerer“ veranstaltet wird, erstmals digital statt. Das Programm wurde aus Berlin und Frankfurt übertragen. Es vernetzte Referenten und Teilnehmer aus der gesamten Republik miteinander. Insgesamt hatten sich über 400 Teilnehmer für die Tagung, die als Leitveranstaltung der Branche gilt, angemeldet. 

Diskussion um Konjunkturpaket und Hilfen ab 2021

Mit der langfristigen Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft (KdU) auf 74 Prozent stütze das Konjunkturprogramm des Bundes die Kommunen in der Krise und darüber hinaus – explizit auch die strukturschwächeren, so Bösinger bei der Podiumsrunde. In der Runde diskutierte er mit der Kölner Kämmerin Dörte Diemert und dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg.

Zudem sorge die Übernahme der kommunalen Gewerbesteuerausfälle durch Bund und Länder für eine weitere Unterstützung. Beide Instrumente – die Erhöhung des Bundesanteils an den KdU und die Hilfe bei den Gewerbesteuerausfällen – seien ein „Puffer“, um einem möglichen Auseinandertriften von finanzstarken und -schwachen Kommunen entgegenzuwirken. Bösinger: „Wir haben ein starkes Paket auf den Weg gebracht, um Kommunen zu helfen.“

Angesichts weiterer drohender Finanzausfälle fordert Landsberg allerdings auch in den kommenden Jahren „weitere Hilfen für die Kommunen“. Für die Zeit ab 2021 gelte es, sich die Zahlen noch einmal „genau anzugucken“, um gegebenenfalls abermals der Krise etwas entgegenzusetzen, so Bösinger. Dabei verwies der Staatssekretär auch auf die Verantwortung der Länder für die Investitionskraft ihrer Kommunen. Mit der Mischung kurzfristiger Maßnahmen wie der Gewerbesteuerkompensation und langfristiger Maßnahmen wie der Erhöhung des Bundesanteils an den KdU hätten die Kommunen erst einmal „Planungssicherheit“.

Planungssicherheit für Kommunen?

Die Kölner Kämmerin Diemert hingegen teilt diese Einschätzung nicht gänzlich. Von finanzieller Planungssicherheit könne nicht die Rede sein. Die „umfassenden Hilfen“ des Bundes, inklusive des ÖPNV-Rettungsschirms, seien zwar wertvoll für die Kommunen in der Krise. Aber: „2021 werden wir noch nicht überm Berg sein.“

Diemert befürchtet, dass die massiven Einbrüche in den kommunalen Haushalten mittel- bis langfristig zu neuen, teils dramatischen Sparzwängen führen könnten. Mit Blick auf die Gewerbesteuerausfälle dürfe nicht aus den Augen verloren werden, dass diese nicht nur gewerbesteuerstarke Kommunen besonders betreffen. Über den Kommunalen Finanzausgleich könnten die Effekte der Steuerausfälle auch auf andere Kommunen abstrahlen.

Insofern sieht Diemert sowohl bei der Steuersituation „Handlungsbedarf“ als auch im Bereich des ÖPNV, der mit sinkenden Fahrgastzahlen ringt. Ebenso beträfen die Auswirkungen der Krise zahlreiche kommunale Beteiligungsgesellschaften.

Altschuldenfrage schwingt weiter mit

Die Finanzlage der Kommunen sieht Landsberg im Zusammenhang mit der Frage nach der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland. „Wir sind von gleichwertigen Lebensverhältnissen sehr weit entfernt.“ Dafür seien nicht zuletzt die teils hohen Unterschiede in den Haushalten der Kommunen ursächlich. Dass es im Zuge des Konjunkturpakets nicht zu einer Altschuldenlösung kam und es zu einer solchen wohl „in dieser Legislaturperiode nicht kommen wird“, bedauert Landsberg daher.

Darauf hofft Landsberg für die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl. Dann sei ein „Kassensturz“ erforderlich. Voraussichtlich habe der Bund mit einem „hohen dreistelligen Milliardenbetrag“ zu rechnen, der zu finanzieren sei. Dies könnte der „richtige Moment“ sein, das „Altschuldenproblem mitzulösen“. 

Neue Finanzansprüche an Kommunen

Auch Diemert wertet die Altschuldenfrage als eine „wichtige“ und „zentrale“ für die kommunale Familie – nicht nur für die strukturschwächeren Städte. Es sei auch psychologisch ein „fürchterliches Signal“ für die Kommunen, die seit Jahren Spar- und Konsolidierungszwängen unterliegen, wenn in der Krise nun der Eindruck entsteht, dass es für ihre existentielle Finanzprobleme „mittelfristig keine Lösung gibt“. Dies käme einem „Rucksack“ gleich, „der den Neuanfang schwierig macht“. Diemert bezeichnet Altschulden als „Gedächtnis der Unterfinanzierung der Vergangenheit“ und sieht daher den Bund und die Länder in der Pflicht, sich entsprechend zu engagieren.

Im Zuge einer Altschuldenlösung müsse allerdings sichergestellt sein, dass die betroffenen Kommunen nicht abermals in eine strukturell bedingte Schuldenfalle geraten, so Landsberg. Er erinnert exemplarisch an die aktuellen Pläne für eine Ganztagsbetreuung an Grundschulen oder die laufenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Hier sieht er Milliardenkosten auf die Kommunen zukommen, die es zu finanzieren gilt.

Landsberg fordert angesichts der Coronakrise nicht nur die umso nötigere Einhaltung des Konnexitätsprinzips, sondern auch einen Bewusstseinswandel, was Erwartungen an die öffentliche Leistungserbringung betrifft. Man dürfe „nicht so tun, als könnte alles so weiterlaufen wie vorher“. Die Finanzressourcen würden weniger. Es brauche daher einen gesellschaftlichen Konsens bezüglich der Frage, wie mit neuen Ansprüchen und Erwartungen umzugehen sei.

a.erb(*)derneuekaemmerer(.)de

Info

Mehr zur Debatte gibt es auf den DNK-Themenseiten Altschulden, Coronakrise und Sparsame Kommune.

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