„Keine finanziellen Experimente mit der Zukunft der Stadt für eine umstrittene Gartenschau auf kleinen Flächen mit immens wachsenden Kosten!“ Der Appell einer Bürgerinitiative vor dem Bürgerentscheid war leidenschaftlich. „Lasst uns lieber darüber nachdenken, wie eine forcierte Stadtentwicklung aussehen kann, die den Klimawandel, das Verkehrskonzept, die Quartiersentwicklung und mehr in den Fokus nimmt.“ Doch als die Wuppertaler am 29. Mai 2022 über die Bundesgartenschau 2031 abstimmten, votierten dennoch 52 Prozent für die Veranstaltung. 2031 findet die Bundesgartenschau also in Wuppertal statt. Aber die Kostenfrage schwingt weiterhin mit.
Schneidewind: Bundesgartenschau als Impulsprojekt
Derweil beschreibt der Wuppertaler Oberbürgermeister die Bundesgartenschau als wegweisendes Impulsprojekt für die Stadt. „Für Wuppertal ist die Buga ein Meilenstein innerhalb eines urbanen Transformationsprozesses“, sagt Uwe Schneidewind. „Sie setzt auf dem Strukturwandel auf, in dem sich Wuppertal seit über 30 Jahren befindet, und weist in die Zukunft.“ Die Stadt wolle die Buga nutzen, um bedeutsame Projekte voranzubringen und Stadtentwicklung zu betreiben. „Sie ist ein Katalysator für wichtige Zukunftsthemen“, sagt Schneidewind. „Es geht etwa um urbane Mobilität, Klimaresilienz oder Kreislaufwirtschaft.“
Zu den konkreten Buga-Projekten in Wuppertal gehört nicht nur die Gestaltung des Veranstaltungsareals im Umfeld des Bahnhofs Vohwinkel in der Weststadt. Sie soll stadtstrategisch Impulse für die Entwicklung des angrenzenden Quartiers geben sowie nachhaltig neue Grünflächen und Parkanlagen für die Stadtbevölkerung erschließen. Darüber hinaus sind eine Seilbahn und eine einzigartige, über 700 Meter lange urbane Hängebrücke markante Vorhaben. „Die Investitionen in die Infrastruktur, die im Zusammenhang mit der Buga stehen, sind nachhaltig und schaffen Bleibendes, das die Stadt aufwertet“, unterstreicht Schneidewind.
Kritikpunkte: Kosten und Auswirkungen auf die Natur
Laut einer Machbarkeitsstudie bleiben am Ende für die Buga-Organisation rund 70 Millionen Euro am städtischen Haushalt hängen. „Alles in allem sind die Investitionen mit dem Imagewandel der Stadt verbunden und strahlen damit auch standortfördernde Effekte aus“, betont der Oberbürgermeister. „Mit der Buga wollen wir Impulse für Transformationsthemen setzen, die in Städten ohnehin anstehen.“ Zudem soll die Buga der sogenannten Circular Valley Initiative – ein Netzwerk, das die Region zu einem global relevanten Zentrum der Kreislaufwirtschaft formen will – als Plattform dienen. Im Profil der Stadt soll der Kreislaufwirtschaft zukünftig eine prägende Rolle zukommen. Schneidewind: „Die Buga ist also in jeder Hinsicht ein gutes Investment.“
Zwar ist die Buga im Lokalparlament von einer breiten und stabilen Mehrheit getragen. Zudem hat sich ein Förderverein formiert, in dem zahlreiche Akteure der Stadtgesellschaft involviert sind und der sich auf breiter Basis für die Buga engagiert. Jedoch zeigt der knappe Ausgang des Bürgerentscheids, wie umstritten die Großveranstaltung in der lokalpolitischen Debatte ist. Für Kritik sorgen zum einen mögliche Eingriffe in die Natur bei entscheidenden Buga-Projekten wie dem Bau der Hängebrücke. „Beide Bauvorhaben würden drastische ökologische Folgen für naturnahe Waldgebiete haben“, heißt es im Appell der Bürgerinitiative. Zum anderen bleibt die Kostenfrage. Eine besondere Brisanz im Ringen um die Buga barg etwa die skeptische Haltung des ehemaligen Stadtkämmerers Johannes Slawig in Bezug auf die Frage, ob das Event überhaupt in die finanziell angespannte Situation der Stadt passt.
Unkalkulierbare Risiken: Beispiele Koblenz und Erfurt
Tatsächlich sind teils unkalkulierbare Finanzrisiken bei der Organisation einer Bundesgartenschau nicht von der Hand zu weisen. Ein Blick auf vergangene Veranstaltungen zeigt, dass sich deren wirtschaftlicher Ausgang kaum vorhersagen lässt und zu einem großen Teil von der Gunst des Publikums abhängt. Einen positiven Ausschlag gab es etwa 2011 in Koblenz. Dort kalkulierte die Stadt anfangs mit rund zwei Millionen Gästen ihrer Gartenschau. Es kamen jedoch rund 3,6 Millionen. Dies führte saldiert zu Mehreinnahmen von rund 13 Millionen Euro, die den Zuschussbedarf von Stadt und Land jeweils hälftig reduzierten. Ursprünglich plante die Stadt mit bis zu 28 Millionen Euro an Eigenmitteln für die Buga.
Eine negative Abweichung vom eigentlichen Finanzplan gab es hingegen 2021 in Erfurt. Geschuldet war dies insbesondere den Einschränkungen der Coronakrise. Statt der erwarteten 1,855 Millionen Besucher kamen am Ende nur 1,515 Millionen. Damit schreibt die Bundesgartenschau ein Minus in Höhe von 500.000 Euro gegenüber der Kalkulation. Gleichwohl verbucht die thüringische Landeshauptstadt ihre Buga als Erfolg.
Erfurt: „Investitionen“ statt „Kosten“
So will man von „Kosten“ in Erfurt auf DNK-Anfrage im Zusammenhang mit der Buga grundsätzlich nicht reden. „Wir sprechen hier lieber von Investition“, teilt eine Stadtsprecherin mit. „Und diese beziffern wir mit großzügig geförderten rund 180 Millionen Euro. Wir haben für dieses Geld nachhaltig in unsere Stadtentwicklung investiert.“ Noch immer wirke die Bundesgartenschau als zukunftsweisendes Impulsprojekt nach. Dies zeige sich nicht zuletzt touristisch: Trotz der Coronadelle profitiere die Stadt nachhaltig von dem Event. So verzeichne etwa der egapark in Erfurt als ehemalige Buga-Ausstellungsfläche 2022 mit rund 575.000 Besuchern eine weiterhin hoch bleibende Publikumsfrequenz. „Die Buga an sich ist das eine, aber für die ausrichtenden Städte ist auch dieser Aspekt der Stadtentwicklung, den eine Buga mit sich bringt, von unschätzbarem Wert“, heißt es aus Erfurt.
Info
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Er arbeitet insbesondere an der Weiterentwicklung der Plattform #stadtvonmorgen und berichtet dabei vorwiegend über urbane Transformationsprozesse. Für die Redaktion von „Der Neue Kämmerer“ beleuchtet er diese Themen aus Perspektive der Kommunalfinanzen. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.