Milliardenschwere Finanzierungslücke: KfW fordert neue Geldquellen für die Energiewende

Die Energiewende auf regionaler Ebene erreicht ihre finanzielle Belastungsgrenze. Stadtwerke und Energieversorger stehen vor großen Herausforderungen, heißt es in der neuen KfW-Studie, die von PwC Deutschland erstellt wurde. Der Befund ist deutlich: Bis 2045 müssen 535 Milliarden Euro investiert werden, schwerpunktmäßig in Strom- und Gasverteilnetze sowie in die Wärmeversorgung. Doch die Unternehmen können diesen Kraftakt aus eigener Finanzkraft kaum stemmen. „Die klassische Innenfinanzierungskraft der Energieversorger zur Bewältigung des Investitionsbedarfs der Energiewende wird nicht ausreichen“, schreibt die KfW. Nur rund ein Viertel des Finanzierungsvolumens ließe sich aus eigenen Mitteln bestreiten, weitere zehn Prozent über Zuschüsse. 65 Prozent – und damit 346 Milliarden Euro – bleiben ungedeckt. Finanzierungslücke in den nächsten zehn Jahren Besonders kritisch ist der Zeitfaktor: „Der größte Finanzierungsbedarf tritt in den nächsten zehn Jahren auf.“ Bis 2035 würden laut Studie 40 Milliarden Euro zusätzliches Eigen- und 218 Milliarden Euro Fremdkapital benötigt. Damit entfallen 85 Prozent des Eigenkapitals und 73 Prozent der Kredite auf das kommende Jahrzehnt. Insgesamt geht die Studie davon aus, dass die jährlichen Investitionen von 14 Milliarden Euro im Jahr 2025 auf bis zu 43 Milliarden Euro in den Jahren 2033 und 2034 ansteigen. Danach sinkt der Bedarf allmählich, bevor ab 2045 neue Ersatzinvestitionen anfallen. Kommunen unter DruckBesonders betroffen sind kommunale Akteure. „Die notwendigen Eigenkapitalzuführungen dürften gerade typische Stadtwerke vor erhebliche Probleme stellen, da die Kommunen als Hauptanteilseigner sich ohnehin schon vielfältigen finanziellen Herausforderungen gegenübersehen“, warnt die KfW. Denn Gewinne kommunaler Energieversorger „stehen nur begrenzt zur Mitfinanzierung der Energiewende zur Verfügung“, weil sie häufig der Querfinanzierung anderer Aufgaben dienen. Für viele Stadtwerke ist der Kapitalspielraum damit ausgeschöpft. Bankkredite stoßen an Grenzen Auch über Fremdkapital lässt sich die Lücke nicht einfach schließen. Nach Schätzungen von PwC liegen die von deutschen Banken an Energieversorger vergebenen Kredite bei rund 130 Milliarden Euro. Selbst wenn sich dieser Bestand bis 2035 um weitere 100 Milliarden Euro erhöht, bedeutet das „nahezu eine Verdopplung des Kreditaufkommens“ – allein für Netze und Wärmeversorgung. Doch regulatorische Hürden engen den Spielraum ein. „Insbesondere bei regionalen oder auf die Energiewirtschaft spezialisierten Banken dürften die Möglichkeiten zur Kreditausweitung auf Grenzen stoßen“, so die KfW. Vorgaben zur Risikobegrenzung, etwa Kreditlimits für Branchen, bremsen zusätzliche Vergaben. KfW fordert neue Finanzierungsansätze Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW, sieht dringenden Handlungsbedarf. Die klassische Kreditfinanzierung stoße bei der Finanzierung der Energiewende an ihre Grenzen. „Für eine erfolgreiche Modernisierung der Energieinfrastruktur braucht es auch auf politischer Ebene Überlegungen, wie der finanzielle Instrumentenkasten erweitert werden kann.“ Die KfW fordert, bestehende Modelle zu erweitern und private wie institutionelle Investoren stärker einzubinden. Denn der Umbau der Verteilnetze sei ein zentraler Hebel für Versorgungssicherheit und Klimaziele. Allerdings sei der Kapitalbedarf so riesig, dass er das derzeitige System der Kreditfinanzierung überfordere. In einer Pressemitteilung spricht Henry Otto, Leiter Energy Consulting bei PwC Deutschland, von einer nun nötigen „gemeinsame Anstrengung von Kommunen, Banken, Investoren und Förderinstituten, um die Energiewende erfolgreich zu finanzieren“. Schuldschein, Förderprogramme, VerbriefungPwC und KfW skizzieren Wege, um das Finanzierungsangebot zu verbreitern. Eine wichtige Option ist die Erweiterung der Kreditfinanzierung jenseits regionaler Banken. „Größere Energieversorger könnten hierzu das bereits erprobte Instrument des Schuldscheindarlehens nutzen“, so die Studie. Für kleinere Unternehmen seien Förderkredite mit staatlicher Risikoübernahme oder Ko-Finanzierungen geeigneter. Zudem könnten Kreditverbriefungen helfen, Risiken an Drittinvestoren weiterzureichen und so Hausbanken zu entlasten. Damit würden zusätzliche Mittel für neue Kredite freigesetzt. Eigenkapital stärken Neben Krediten steht die Eigenkapitalbasis im Fokus. „Eine angemessene Eigenkapitalquote ist Grundvoraussetzung für den Zugang zu Fremdkapital.“ Die Studie empfiehlt, das Kommunalrecht zu überarbeiten, um Städte und Gemeinden zu befähigen, Eigenkapital über Kommunalkredite oder Schuldscheine in ihre Versorger einzubringen – ein Ansatz, den auch der Verband Öffentlicher Banken (VÖB) unterstützt. Darüber hinaus regen die Studienautoren an, über mezzanine Finanzierungsinstrumente nachzudenken. Denkbar wären auch Kapitalpools, in denen Förderbanken und private Investoren gemeinsam Mittel bündeln, oder Public-Private-Partnerships, in denen kommunale Projekte teils privat kofinanziert werden. Bürgerbeteiligung als OptionNeben institutionellen Modellen spielt auch die Bevölkerung eine Rolle. Bereits heute denken „70 Prozent der befragten Stadtwerke über Bürgerbeteiligungen nach“, so eine ergänzende Umfrage. Ob aus diesen Vorhaben spürbar Kapital entsteht, ist offen – doch sie könnten Akzeptanz und Identifikation vor Ort stärken. Für die Autoren der Studie ist insgesamt klar, dass es eine neue Finanzierungsarchitektur braucht. „Angesichts der in Summe erheblichen Finanzierungsherausforderungen für die Modernisierung der Energieinfrastruktur und der unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen der EVUs dürfte ein breit gefächerter Instrumentenmix zielführend sein. Wichtig ist in jedem Fall, dass er zeitnah zur Verfügung steht.“ Um den Kapitalbedarf der Energieversorger zu ermitteln, haben die Studienautoren in einem ersten Schritt die aus Sicht der Unternehmen wichtigsten Investitionsfelder identifiziert. Anschließend wurde auf der Grundlage anderer Studien ein mittleres Investitionsszenario abgeleitet und im zeitlichen Verlauf dargestellt. a.mohl@derneuekaemmerer.de

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