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Neue Möglichkeiten für die kommunale Konzernfinanzierung

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Die unternehmerische Betätigung von Kommunen hat an Bedeutung gewonnen. Die Kommunen kümmern sich um die Themen, die die Menschen vor Ort – das Grundgesetz spricht von der örtlichen Gemeinschaft – in ihrem täglichen Leben beschäftigen. Ein aktuelles Beispiel ist die Gründung medizinischer Versorgungszentren durch Kommunen, wenn die Versorgung – und das kommt gerade in ländlichen Regionen immer öfter vor – durch das Versorgungsnetz der kassenärztlichen Vereinigungen fällt.

Eine Besonderheit kommunaler Unternehmen ist dabei, dass sie angesichts ihrer Tätigkeit im Bereich der Daseinsvorsorge meist nicht mit hohen Gewinnen oder einem auf solche gerichteten Business Case gesegnet sind. Das erschwert ihnen die Aufnahme von Krediten für Investitionen. Kommunale Bürgschaften können ihre Kreditfähigkeit und Kreditkonditionen verbessern, aber Sparkassen und Banken akzeptieren diese mit immer weniger Begeisterung. Höchste Zeit, den Kommunen neue Möglichkeiten der kommunalen Konzernfinanzierung zur Verfügung zu stellen.

Unter den Vorreitern der Bundesländer ist hier das Land Niedersachsen. Dieses hat über eine sogenannte Experimentierklausel Kommunen schon vor zehn Jahren den Weg eröffnet, neue Möglichkeiten der Aufnahme und Bewirtschaftung von Krediten zu erproben. Mittlerweile ist die Erprobungsphase abgeschlossen. Seit der Änderung des niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) Anfang des Jahres 2025 stehen die Instrumente „Konzernkredit“ (§ 121a NKomVG) und „Konzernliquiditätskredit“ (§ 122a NKomVG) nun allen Kommunen zur Verfügung, die ihre Unternehmen bei der Kreditfinanzierung unterstützen wollen. Dabei hat der niedersächsische Gesetzgeber die kommunalrechtlichen Anforderungen im Einzelnen geregelt.

Selbst Lösungen finden müssen die Kommunen dagegen für die damit einhergehenden beihilferechtlichen Anforderungen. Im schriftlichen Bericht zum Änderungsentwurf des NKomVG heißt es ganz deutlich: „Die Einhaltung des Beihilferechts hat die Kommune daher weiterhin eigenverantwortlich zu gewährleisten.“ Um das Beihilferecht einzuhalten, ist es aber nicht erforderlich, das Rad neu zu erfinden. Vielmehr können von den Kommunen bekannte beihilferechtliche Lösungsmöglichkeiten auch für die Konzernkredite und Konzernliquiditätskredite genutzt werden.

Konzernkredite

Der neue § 121a NKomVG regelt die Aufnahme von Konzernkrediten der Kommunen für ihre kommunalen Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge. Die Kommunen nehmen dabei am Markt Kredite auf, die sie an ihre Unternehmen und Einrichtungen weitergeben. Bestimmt sind diese Konzernkredite für zuvor im Wirtschaftsplan des Unternehmens beschlossene konkrete Investitionsprojekte. Der Investitionsbedarf muss dargelegt werden. Grundlage für die Weitergabe ist ein Vertrag zwischen Kommune und kommunalem Unternehmen. Eine Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens muss ergeben haben, dass dieses die Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllen wird. Vorgesehen ist als Mindestverzinsung nach § 121a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 NKomVG ein Zinssatz, dessen Höhe mindestens dem Zinssatz entspricht, den die Kommune auf den Konzernkredit bei der Bank zu entrichten hat.

Über die Aufnahme eines Konzernkredits beschließt gemäß § 121a Abs. 1 S. 4 NKomVG die Vertretung. Eine Genehmigungspflicht durch die Kommunalaufsichtsbehörde besteht nicht, allerdings ist der Beschluss der Kommunalaufsichtsbehörde unter Darlegung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Konzernkreditaufnahme schriftlich anzuzeigen. Der Kredit darf frühestens sechs Wochen nach der Anzeige aufgenommen werden, wobei die Kommunalaufsichtsbehörde die Frist verkürzen oder aus besonderem Grund verlängern kann (§ 121a Abs. 4 NKomVG). 

Auf den ersten Blick drängt sich die Frage auf, ob die Kommune durch derartige Kreditweitergaben nicht in Konflikt mit dem Kreditwirtschaftsgesetz (KWG) kommt, nach dem Bankgeschäfte einer Genehmigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bedürfen. Diese Frage hat sich auch die niedersächsische Landesregierung bei der Erarbeitung des Gesetzesentwurfes gestellt und mit der BaFin Kontakt aufgenommen. Die BaFin hat dabei ihre Rechtsauffassung mitgeteilt, dass ein Darlehen, das eine Kommune an eines ihrer Unternehmen ausreicht, dann nicht als Kreditgeschäft (und daher nicht als Bankgeschäft) im Sinne des KWG gilt, wenn die Kommune sich des Unternehmens zur Erfüllung einer ihr obliegenden Aufgabe des eigenen oder übertragenen Wirkungskreises bedient und mit der Vergabe des Darlehens die Erfüllung dieser Aufgabe gewährleistet.

Bleibt noch das Beihilfenrecht. Besonders zu beachten ist dies bei der Verzinsung des Kredits. Denn die Mindestverzinsung in Höhe des von der Kommune zu zahlenden Kreditzinses wird regelmäßig nicht auf dem Niveau des Marktzinses liegen, den ein vergleichbarer privater Kreditgeber aufgerufen hätte. Aber genau dies wäre erforderlich, um eine Beihilfe auszuschließen. Eine marktangemessene Zinshöhe zugunsten der Kommune würde  deren kommunalen Haushalt freuen, hilft aber nicht weiter, die Investitionstätigkeit des Unternehmens zu unterstützen. Deswegen stellt sich die Frage, wie dieses Dilemma aufgelöst werden kann.

Unproblematisch sind Fälle, in denen die Tätigkeit des Unternehmens allein lokal ausgerichtet ist. Hier ist der Zinsvorteil von Vornherein keine (verbotene) Beihilfe. Dies kommt etwa in Betracht bei kommunalen Unternehmen, die Schwimmhallen betreiben oder aber als Medizinisches Versorgungszentrum eine allgemeinmedizinische Versorgung anbieten.

Eine andere Variante ist es, dass zwar eine Beihilfe vorliegt, diese aber als Daseinsvorsorgeleistung (im Beihilfenrecht spricht man von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse oder kurz „DAWI“) nach dem sogenannten EU-Freistellungsbeschluss auf der Grundlage einer Betrauung gerechtfertigt werden kann. Dazu ist es erforderlich, die Weitergabe von Kreditkonditionen unter Markt im Betrauungsakt als Ausgleichsleistung zu definieren und den Vorteil in die Berechnung von Kosten und Ausgleich der vom Unternehmen erbrachten Daseinsvorsorgeleistung einzubeziehen. In Betracht kommen hier zum Beispiel kommunale Krankenhäuser oder Wohnungsbaugesellschaften, die oft mit DAWI im sozialen Wohnungsbau bzw. mit Leistungen der stationären Krankenhausversorgung betraut sind. Betrauungen sind heute Standard bei der Finanzierung von Daseinsvorsorgeleistungen kommunaler Unternehmen. Die Einbeziehung von Vorteilen aus der Konzernfinanzierung in die Betrauung ist machbar.

Konzernliquiditätskredite

Die in § 122a NKomVG geregelten Konzernliquiditätskredite können, anders als die Konzernkredite, auch für Auszahlungen und allgemeine Aufwendungen eingesetzt werden. Die Unternehmen haben ihren Liquiditätsbedarf darzulegen. Zudem muss eine Prüfung ihrer wirtschaftlichen Lage ergeben, dass sie ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen werden.

Die Vorschrift enthält in § 122a Abs. 1 S. 3 NKomVG Regelungen zur Ermöglichung der Einbeziehung von Liquiditätskrediten in ein kommunales Cash Management oder Cash Pooling. Beim kommunalen Cash Pooling agiert die Gemeinde mit ihrer Stadtkasse als Cash-Pool-Führer. Vereinfacht dargestellt: Die Stadtkasse sammelt überschüssige Liquidität ihrer teilnehmenden Unternehmen und stellt diese anderen teilnehmenden Unternehmen zur Verfügung, die Liquidität benötigen. In der Gesamtbetrachtung sinkt damit der Bedarf des städtischen Konzerns, sich bei Banken und Sparkassen mit Liquidität zu versorgen. Die Einrichtung eines solchen Cash Poolings steht gemäß § 122a NKomVG nur solchen Gemeinden zur Verfügung, die ihre eigenen Liquiditätskredite nicht bis zu dem in der Haushaltssatzung festgesetzten Höchstbetrag ausgenutzt haben.

Diese Vorschrift soll als eine Art Notfalllösung auch die Unterstützung von kommunalen Konzernen bei akuten Liquiditätsengpässen ermöglichen. Unter den Voraussetzungen des § 122a Abs. 2 NKomVG kann im Ausnahmefall (im Bereich der Daseinsvorsorge) auch dann ein Konzernliquiditätskredit gewährt werden, wenn dadurch der in der Haushaltssatzung festgesetzte Höchstbetrag überschritten wird. In einem solchen Fall beschließt die Vertretung über die Aufnahme des Kredits, eine Ausnahme kann bei Eilentscheidungen gelten (§ 122a Abs. 2 S. 4, 5 NKomVG). Der Beschluss ist der Kommunalaufsichtsbehörde schriftlich anzuzeigen, wobei auch im Fall der Konzernliquiditätskredite die gesetzlichen Voraussetzungen darzulegen sind. Der Konzernliquiditätskredit darf frühestens sechs Wochen nach der Anzeige aufgenommen werden, wobei die Kommunalaufsichtsbehörde die Frist – wie beim Konzernkredit – verkürzen oder verlängern kann (§ 122a Abs. 3 NKomVG).

Wollen Kommunen die Regelung des § 122a Abs. 2 NKomVG nutzen, geraten sie beihilferechtlich schnell in den Bereich der Unterstützung von Unternehmen in Schwierigkeiten (sog. „UiS“). Hier gelten nach den von der Europäischen Kommission aufgestellten „Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten“ (2014/C 249/01) besondere beihilfenrechtliche Vorgaben.

Aus beihilferechtlicher Sicht sollten die Kommunen auch beim Konzernliquiditätskredit besonderes Augenmerk auf die Höhe des Zinssatzes legen. Dem § 121aNKomVG entsprechend sieht auch § 122a NKomVG vor, dass vertraglich ein Zinssatz zu vereinbaren ist, dessen Höhe mindestens dem Zinssatz entspricht, den die Kommune auf den Konzernliquiditätskredit zu entrichten hat.

Wie eine Teilnahme kommunaler Unternehmen am Cash Pooling im Einklang mit dem Beihilfenrecht gelingen kann, zeigte in der Praxis bereits die Stadt Osnabrück auf. Hierzu ist auf eine Entscheidung der Europäischen Kommission vom 21.10.2016 (C(2016) 6675 final) hinzuweisen. Die Kommission entschied, dass die Teilnahme des Klinikums am Cash Pooling der Stadt Osnabrück diese nicht begünstigte und deswegen keine Beihilfe war. Das Cash Pooling beruht aus den folgenden Gründen auf Marktkonditionen:

  • Die Bedingungen (z.B. Obergrenzen, Zinssätze) wurden für jeden Teilnehmer individuell auf Grundlage seiner besonderen Merkmale festgelegt,
  • die Zinssätze wurden auf Grundlage der Sätze und Ratings einer Geschäftskasse (Sparkasse Osnabrück) festgelegt – bei Änderungen des Ratings änderten sich entsprechend auch die Konditionen,
  • es wurde ein standardisierter Referenzzinssatz für Übernachtausleihungen (EONIA) genutzt, der an die Bonitätsbewertung der Teilnehmer individuell angepasst wurde,
  • es waren geeignete Aufsichtsstrukturen zur Missbrauchsverhinderung vorhanden.

Niedersachsen als Vorbild für andere Bundesländer

Die in Niedersachsen eingeführten Möglichkeiten der kommunalen Konzernfinanzierung durch Konzern- bzw. Konzernliquiditätskredite sind, zumindest in dieser ausdrücklichen und ausführlich geregelten gesetzlichen Ausgestaltung, in keinem anderen Bundesland zu finden. Ihrer Einführung gingen in Niedersachsen Forderungen der Kommunen und ihre Erprobung über die Experimentierklausel voraus. Kommunaler Konzernkredit und Konzernliquiditätskredit können einen Beitrag zu einer einfacheren und kostengünstigeren Finanzierung im kommunalen Konzern leisten. Umso erstaunlicher, dass die meisten anderen Flächenbundesländer bislang keine entsprechenden gesetzlichen Regelungen eingeführt haben. Eine Ausnahme macht hier das Land Schleswig-Holstein, das in § 85 Abs. 1 S. 2 Gemeindeordnung Schleswig-Holstein (GO-SH) eine Kreditweitergabe an kommunale Unternehmen für deren Investitionen gestattet. Regelungen zur Konzernfinanzierung finden sich zudem in § 88 Abs. 5 GO S-H, der die Weitergabe liquider Mittel in Form von Krediten an kommunale Konzerne ermöglichen soll. Dabei weisen auch hier die Gesetzesbegründungen (SH LT-Drs. 19/1779) und ein ministerieller Runderlass v. 01.Februar 2022 zu § 85 GO S-H ausdrücklich darauf hin, dass die Kommunen bei der Abwicklung sonstige rechtliche Rahmenbedingungen, etwa das europäische Beihilfenrecht, in eigener Verantwortung zu prüfen haben.

Auch in Nordrhein-Westfalen werden die Instrumente des Konzernkredits und des Cash Poolings eingesetzt. Es besteht anders als in Niedersachsen und Schleswig-Holstein keine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Die Instrumente sind in der Praxis aber weit verbreitet, da das nordrhein-westfälische Ministerium für Inneres und Kommunales mit einem Runderlass vom 16.Dezember 2014 zu §§ 86 und 89 Gemeindeordnung NRW den Gemeinden die Weitergabe von Krediten an ihre Beteiligungen zur Investitionsförderung und zur Liquiditätssicherung gestattet. Auch lässt der Erlass die Einrichtung eines Liquiditätsverbundes (Cash Pooling) zu.

Andere Bundesländer sollten überlegen, ob auch sie gesetzliche Regelungen zum kommunalen Konzernkredit und zum Konzernliquiditätskredit in ihr Kommunalrecht übernehmen. Den meist lösbaren (beihilfe-)rechtlichen Herausforderungen stehen im Ergebnis gewichtige wirtschaftliche Vorteile der kommunalen Konzernfinanzierung gegenüber, allem voran die Möglichkeit, kommunale Unternehmen zu entlasten.

arne.gniechwitz@gsk.de

Autor

Dr. Arne Gniechwitz ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei GSK Stockmann und spezialisiert auf Vergabe- und Beihilferecht.