Die wirtschaftliche Lage der Stadtwerke ist angespannt. Jens Südekum, Professor für internationale Volkswirtschaftslehre am Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) der Heinrich-Heine-Universität und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium, erklärt im DNK-Interview, dass die Stadtwerke im Zuge der temporären Schieflage der Geschäftsmodelle nicht in die Insolvenz abrutschen dürfen. „Das hätte fatale Folgen für die Gasversorgung“, so Südekum.
Stadtwerke sind letztes Glied in komplexer Wertschöpfungskette
Die Stadtwerke seien oft das letzte Glied in einer komplexen Wertschöpfungskette, denn sie versorgten die Endkunden mit Gas. „Ob deren Geschäftsmodell funktioniert, hängt entscheidend an der Spanne zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis. Damit stellt sich für viele Stadtwerke zeitverzögert dasselbe Problem wie für die großen Gasimporteure wie Uniper“, erklärt der Ökonom. „In dem Ausmaß, wie Uniper die eigenen Verkaufspreise sukzessive erhöht, treffen die Stadtwerke über kurz oder lang auf dasselbe Problem: gestiegene Kosten ohne die unmittelbare Möglichkeit zur Weitergabe.“ Über kurz oder lang führe kein Weg daran vorbei, die Preise an die Endkunden weiterzureichen. Dort müsse Kostenwahrheit herrschen, kombiniert mit gezielten Entlastungen für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. „Im Zuge dieser Preisweitergabe nehmen die Verluste der Stadtwerke wieder ab, zumindest teilweise“, sagt Südekum.
Schutzschirm muss überzeugend konzipiert sein
Ein Schutzschirm sei grundsätzlich richtig, müsse aber überzeugend konzipiert sein. Er müsse zuallererst dazu dienen, Insolvenzen abzuwenden, nicht um Gewinne abzusichern. „Wenn Stadtwerke an anderer Stelle Gewinne erwirtschaften, müssen die zuerst eingesetzt werden“, betont der Ökonom.
Wenn es darum ginge, die Stadtwerke zu stärken und in die Lage zu versetzen den Wandel in Richtung erneuerbarer Energien voranzutreiben, sei der Schutzschirm nicht das richtige Instrument. „Diese Investitionen können im aktuellen Marktumfeld auch anders finanziert werden und rechnen sich auch so“, so Südekum. Außerdem wäre es schwer vermittelbar, wenn Stadtwerke einerseits unter einen Schutzschirm schlüpfen, aber gleichzeitig hohe Boni ans eigene Management auszahlen würden. Grundsätzlich führe an einem Schutzschirm aber kein Weg vorbei, denn die Stadtwerke brauchten Planungssicherheit.
Offen bleibt, wer den Schutzschirm bezahlen soll
Als kritisch schätzt der Ökonom die Frage ein, wer den Schutzschirm bezahlen solle. „Der Bund verweist zurecht darauf, dass es sich bei den Stadtwerken um eine kommunale Aufgabe handelt. Insofern sind Schutzschirme der Länder vorstellbar“, so Südekum. Zu deren Finanzierung sei dann aber entweder eine nochmalige Ausnahme von der Schuldenbremse erforderlich, begründet durch die kriegsbedingte wirtschaftliche Notlage. Oder es müssten zusätzliche Steuereinnahmen generiert werden, um neben den Entlastungspaketen auch die Schutzschirme zu bezahlen. Diesen zweiten Weg bevorzuge Südekum. Die aktuelle Diskussion um die so genannten Übergewinnsteuern seien in diesem Kontext zu sehen.
Spezialproblem ÖPNV kann nicht berücksichtigt werden
Die Krise der Stadtwerke wirkt sich in zahlreichen Kommunen aufgrund des steuerlichen Querverbunds auch auf die Verkehrsbetriebe aus. Fallen Überschüsse der kommunalen Energiebetriebe weg, könnte dies den vielerorts geplanten Ausbau des ÖPNV-Angebots ausbremsen. Südekum hält es jedoch für ausgeschlossen, dass bei der Konzeptionierung eines Schutzschirms darauf Rücksicht genommen werden könne und hält dies auch nicht für sinnvoll. „Ich glaube nicht, dass man auf das Spezialproblem ÖPNV beim Design eines Schutzschirms explizit wird Rücksicht nehmen können“, so der Ökonom. Das Grundprinzip eines Schutzschirms müsse darin bestehen, die Insolvenz der Versorger zu verhindern, aber nicht deren Gewinne zu schonen, bloß weil sie für nicht nachhaltige Quersubventionierungen gebraucht werden.