Obwohl in den vergangenen Jahren massiv in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert worden ist, fehlen so viele Plätze wie noch nie. „Der Ausbau neuer Betreuungsangebote für Kleinkinder geht in Deutschland zu langsam voran“, stellt das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in einer aktuellen Studie fest. 2020 fehlten demnach hierzulande zum Stichtag 1. März mehr als 340.000 Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren.
Zwar seien seit 2015 über 135.000 zusätzliche Plätze in Kitas und bei Tageseltern entstanden, doch immer mehr Eltern wollen ihre Kinder auch früher betreuen lassen. Viele Kommunen können dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz daher nicht nachkommen, heißt es in dem Papier des IW, das auf Berechnungen des Instituts sowie auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) und des Bundesfamilienministeriums basiert.
Immer früher in die Kita
So meldeten 2019 mehr als 80 Prozent der Eltern für ihre zweijährigen Kinder und 64 Prozent der Eltern für ihre einjährigen Kinder Bedarf an. 2015 lagen diese Werte mit 73 beziehungsweise knapp 55 Prozent noch deutlich niedriger. „Lange galt insbesondere in Westdeutschland ein Alter von drei Jahren als geeigneter Betreuungsbeginn. Das hat sich vollkommen geändert“, sagt IW-Familienexperte und Studienautor Wido Geis-Thöne. In den vergangenen Jahren stiegen außerdem die Geburtenzahlen, seit 2017 sind sie laut Destatis jedoch wieder gesunken.
„Trotz aller Anstrengungen der Kommunen und Milliardeninvestitionen … reiche das Angebot aufgrund des steigenden Bedarfs noch nicht aus“, kommentierte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes das Studienergebnis gegenüber der Passauer Neuen Presse. Landsberg forderte weiterhin eine Betreuungsoffensive. Etwa könnte Arbeitnehmern, die in der Coronakrise ihren Job verloren hätten oder in Kurzarbeit seien, eine Ausbildung zum Erzieher angeboten werden. Parallel dazu „sollten die Länder ihre Ausbildungskapazitäten deutlich aufstocken“ und „überflüssige Bürokratie“ überprüfen.
Mecklenburg-Vorpommern top, Saarland flop?
Doch zeigt sich der IW-Studie zufolge nicht in allen Bundesländern ein einheitliches Bild. Während die Betreuungslücke mit jeweils rund 20 Prozent im Saarland, Bremen und Nordrhein-Westfalen am größten ist, stehen Hamburg, Bayern, Baden-Württemberg und Ostdeutschland mit Ausnahme Berlins vergleichsweise gut da.
In Rheinland-Pfalz sieht es hingegen nur wenig besser aus als im Saarland mit einer Lücke von rund 18 Prozent. Dahinter folgen Hessen (16,5), Berlin (15,9), Schleswig-Holstein (15,4), Niedersachsen (14,4), Bayern (13,5) und Baden-Württemberg (12,7). Die niedrigste Bereuungslücke hat Mecklenburg-Vorpommern mit 5 Prozent. Kurz dahinter rangieren Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg mit jeweils rund 6 Prozent.
Auch der Süden und Osten müssen handeln
Die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern sind offenbar nicht durchweg mit dem Angebot an Betreuungsplätzen zu erklären. In Bayern und Baden-Württemberg würden schlicht weniger Eltern ihre Kinder in eine Kita geben. Die Studie geht aber – trotz regionaler Unterschiede – deutschlandweit von einem steigenden Bedarf an Kindertagesstätten aus. „Nähert sich der Betreuungsbedarf wie zu erwarten den anderen Bundesländern an, werden auch in Bayern und Baden-Württemberg sehr viel mehr Kitaplätze benötigt“, so Geis-Thöne.
Auch im Osten offenbart die Studie trotz guter Zahlen Handlungsbedarf. Zwar sei die Betreuungslücke hier geringer als im Westen, doch hätten die Kitas zu wenig Personal, um die Kinder gut zu versorgen. Während ein Erzieher in Westdeutschland durchschnittlich vier Kinder betreut, seien es in Ostdeutschland sechs.
Info
Mehr zum Thema finden Sie auf den DNK-Themenseiten Bildung und Coronakrise.