Die Zeit der niedrigen Zinsen ist vorbei. Für Deutschland ist es zentral, dass Städte, Gemeinden und Landkreise einen ansteigenden Investitionspfad einschlagen, schreibt Gastautorin Fritzi Köhler-Geib.

Als Reaktion auf den starken Anstieg der Inflation hat die EZB einen deutlichen Zinssteigerungszyklus eingeläutet. Sowohl die hohe Inflation als auch die gestiegenen Zinsen wirken sich auf die Kommunalfinanzen aus. Während unklar ist, ob bei den Inflationsauswirkungen der Effekt durch höhere nominale Gewerbesteuereinnahmen oder durch Kostensteigerungen gerade im Bau überwiegt, verteuern die gestiegenen Zinsen die Fremdfinanzierung der Kommunen auf jeden Fall. Die mehrjährige extreme Niedrigzinsphase ist vorbei.

Laut KfW-Kommunalpanel finanzierten die Kommunen 2022 regelmäßig rund ein Viertel ihrer Investitionen über Kommunalkredite. Steigende Zinsen verkleinern die Haushaltsspielräume und verteuern die Schuldenaufnahme. Geht dies nun zulasten der dringend benötigten öffentlichen Investitionen?

Kommunale Investitionen sind dringend nötig

Der Bedarf ist allgegenwärtig. Auf hochgerechnet rund 160 Milliarden Euro beläuft sich der wahrgenommene Investitionsrückstand der Kommunen mittlerweile. Hinzu kommen weitere transformative Investitionsnotwendigkeiten beispielsweise für den Klimaschutz, die Digitalisierung oder die Anpassung an die demografische Entwicklung. Um bis zur Mitte dieses Jahrhunderts das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, müssen Bund, Länder und Kommunen unseren Berechnungen nach ihre Klimaschutzinvestitionen auf mindestens 20 Milliarden Euro pro Jahr anheben. Das entspricht nahezu einer Versechsfachung zu den öffentlichen Umweltschutzinvestitionen, die bislang statistisch erfasst werden.

Ein großer Teil der damit verbundenen Maßnahmen fällt auf der kommunalen Ebene an. Für unser Land ist es daher von zentraler Bedeutung, wie es Städte, Gemeinden und Landkreise jetzt schaffen, einen ansteigenden Investitionspfad einzuschlagen. Denn nur dann lassen sich die erforderlichen Kapazitäten sinnvoll und nachhaltig aufbauen, um die großen Beträge in Zukunft überhaupt effizient investieren zu können.

Investitionsumfeld hat sich verschlechtert

Dabei erschweren die aktuellen Krisen die Investitionstätigkeit der Kommunen erheblich. Erst erzwang die Corona-Krise eine Umpriorisierung der Investitionsschwerpunkte und führte zu großen Unwägbarkeiten über die finanziellen Folgen in den Haushalten. Dies zog eine große Planungsunsicherheit nach sich, die auch durch die letztlich guten Finanzierungssalden nicht kleiner wurde. Die Folgen der Corona-Krise waren noch nicht ganz verdaut, da führte der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine vor gut einem Jahr zu einer weiteren Krise. Die Folgen sind unter anderem steigende Flüchtlingszahlen und Verwerfungen im Energiesektor, welche die Ausgabenseite belasten, während zugleich die konjunkturellen Unsicherheiten auf der Einnahmeseite wieder zunehmen.

Diese schwierigen Rahmenbedingungen haben auch Auswirkungen auf die Art und Weise, wie die Kommunen ihre Investitionsausgaben finanzieren. Denn um das Investitionsniveau aufrecht erhalten zu können, wurden vermehrt Fördermittel und Kommunalkredite genutzt. Die Verschiebung der Finanzierungsinstrumente ist eine unmittelbare Folge von Krisen, weil die Eigenmittel, die nach wie vor maßgeblich den Investitionsspielraum bestimmen, unsicher und häufig auch unzureichend sind. Jedoch sind die Kommunen bei den Fördermitteln von Bund und Ländern sowie bei den Krediten von den Banken abhängig. Eine langfristig ausgerichtete, eigenständige Investitionsstrategie lässt sich auf dieser wackeligen Basis nur mühsam ins Werk setzen.

Zinswende trifft einige Kommunen stärker als andere

In dieser Zeit der Polykrise könnte die Zinswende gleichsam der Tropfen sein, der das eh schon volle Fass zum Überlaufen bringt. Eine Analyse der Kommunalhaushalte zeigt jedoch, dass die Auswirkungen der Zinswende vorerst begrenzt sind – und andere Herausforderungen wie die gestiegenen Baupreise oder Personalknappheiten die Kommunen gegenwärtig vor größere Hürden stellen.

Ein Grund dafür liegt im nach wie vor eher geringen Umfang der Fremdkapitalfinanzierung, den die Kommunen im Unterschied zu Bund und Ländern tätigen. Zudem gibt es zwischen den Ländern sehr unterschiedlich ausfallende Laufzeiten, welche die Kommunen für ihre Schulden eingegangen sind. So sind beispielsweise in Nordrhein-Westfalen allein 2022 und 2023 mehr als 800 Euro pro Einwohner oder 30 Prozent der Gesamtverschuldung zu tilgen oder zu refinanzieren, in Sachsen sind es hingegen nur etwas über 100 Euro je Einwohner. Nachvollziehbarerweise schlagen die steigenden Zinsen daher in einigen Regionen früher und kräftiger ins Kontor als in anderen.

Fritzi Köhler-Geib

KfW-Bildarchiv / Thorsten Futh

Die Zinsänderungsrisiken fallen umso höher aus, je niedriger die Fristigkeit und je höher die Verschuldung ist, da hier die zu refinanzierenden Positionen größer sind und damit auch die potenziellen Haushaltsrisiken steigender Zinsen. Deshalb konzentriert sich das Zinsänderungsrisiko in erster Linie auf hochverschuldete Kommunen mit besonders hohen Zinslasten. Wenn man Zinsausgabenquoten von mehr als 2 Prozent als hoch ansieht, betrifft dies knapp 2,5 Prozent aller Gemeinden, auf die rund 12 Milliarden Euro beziehungsweise 12 Prozent der kommunalen Kreditmarktschulden entfallen. Diesen begrenzten Kreis von Kommunen gilt es bei der Konzeption von Lösungsansätzen besonders in den Blick zu nehmen.

 

Baupreise beeinträchtigen Investitionen mehr als Zinsen

Während also die Zinswende für einen begrenzten Kreis von Kommunen eine echte Bedrohung darstellt, leiden unter anderen Entwicklungen nahezu alle Kommunen. Zu nennen ist hier vor allem der Anstieg der Baupreise. In den vergangenen zehn Jahren haben die Preise für viele Gewerke der öffentlichen Bauvorhaben im Durchschnitt um nahezu 50 Prozent zugenommen, sodass es zu einem nominalen Anwachsen der Investitionsausgaben kam, ohne dass im gleichen Maße real mehr gebaut wurde. Dies trifft die kommunalen Haushalte besonders, weil der Anteil der Baumaßnahmen hier in der Regel eine größere Rolle spielt als Kredit- beziehungsweise Zinslasten. Damit überwiegen in den meisten Kommunen die Mehrausgaben beim Bauen diejenigen der Zinsen für die Kredite bei weitem.

Aktuell hat die private Bautätigkeit einen Dämpfer erlitten. Es bleibt jetzt abzuwarten, ob sich der bisherige Baupreisanstieg fortsetzt. Ein Ende der Preisrallye wäre eine willkommene Entlastung auf Seiten der kommunalen Investitionsausgaben. Die öffentliche Bautätigkeit könnte hier einen Teil der wegbrechenden privaten Nachfrage – zumindest im Gebäudebereich – auffangen und die Baubranche stabilisieren. Zugleich würde dies der Infrastruktur, der Daseinsvorsorge und der Transformation im öffentlichen Sektor zugutekommen.

Fachkräftemangel wird auch zukünftig Spielräume einengen

Damit das funktioniert, müssen aber die Prozesse und Personalkapazitäten rund um Planung, Genehmigung und Bau der öffentlichen Investitionsprojekte verbessert werden. In der vergangenen Dekade wurden bis zu zehn Prozent der Stellen in planungsrelevanten Bereichen in den Kommunalverwaltungen abgebaut. Zuletzt konnte dieser Sinkflug zwar abgefangen werden, aber viele der Stellen bleiben unbesetzt. Selbst wenn die öffentliche Hand alle seit Langem diskutierten Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung endlich umsetzen sollte, wird der Fachkräftemangel demografiebedingt kaum zu lösen, sondern allenfalls nur abzumildern sein.

Für die Zukunft heißt das, mehr als zuvor auf eine Produktivitätssteigerung zu setzen. Es wird für den Öffentlichen Dienst kein Weg daran vorbeiführen, die anstehenden Aufgaben mit weniger Personal zu bewerkstelligen. Darauf müssen auch die kommunalen Investitionsprozesse hin optimiert werden.

Das ist nicht nur, aber natürlich auch eine Frage der Finanzausstattung. Hier ist eine strukturelle Verbesserung des Kommunalfinanzsystems dringend geboten, wobei es nicht nur um die Höhe der Finanzmittel, sondern auch um die Verlässlichkeit und damit Planbarkeit in konjunkturell schwierigen Zeiten gehen muss. Entsprechende Anpassungen wären hilfreich für alle Städte, Gemeinden und Landkreise, um die erforderlichen Investitionen zu stemmen und auf dem langen Weg der Transformation ein gehöriges Stück weiterzukommen.

research@kfw.de

Autor

Dr. Fritzi Köhler-Geib ist Chefvolkswirtin der KfW Bankengruppe.

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