„Es ist eine neue Epoche angebrochen“: Die „Zeitenwende“, die der Ukrainekonflikt mit sich bringe, bedeute auch für die Finanzpolitik einen Einschnitt. Dies habe nicht zuletzt Effekte auf die Finanzbeziehungen zwischen den staatlichen Ebenen. Darauf wies Bundesfinanzminister Christian Lindner am Dienstag beim Deutschen Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB) in Berlin hin.
Von Corona bis Ukrainekrieg: Finanzpolitik in Krisenzeiten
Die „Zeitenwende“ sei geprägt durch krisenhafte Erfahrungen: von der Coronapandemie bis zum Ausbruch eines Krieges in Europa. Hinzu kämen die Klimakrise oder die einsetzende Inflation, die „eine Erschütterung unseres Wirtschafts- und Wohlstandsmodell“ sein könne. Diese Erschütterungen führten zu der Erkenntnis, dass „Freiheit, Frieden und Wohlstand in jeder Generation neu begründet und errungen werden müssen“, so Lindner.
Aus finanzpolitischer Sicht veränderten die aktuellen Krisen ebenfalls wichtige Rahmenbedingungen und führten zu einer neuen Prioritätensetzung. Lindner verweist exemplarisch auf den höheren Stellenwert, mit dem der Bund sich der äußeren Sicherheit zuwendet. Mit einem Sonderprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro soll die Bundeswehr ertüchtigt werden. Zudem seien „große finanzielle Belastungen für den Bund zu verzeichnen“ – etwa schlage die Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge „in Milliardengrößenordnung“ zu Buche.
Lindner bekennt sich zur Schuldenbremse
Auch die Inflation und steigende Zinsen wirkten auf den Bund: 2021 seien vier Milliarden Euro für den Kapitaldienst bezüglich alter Schulden eingeplant gewesen, im nächsten Jahr könne der Zins auf 30 Milliarden Euro anwachsen. Linder bekennt sich ausdrücklich zur Schuldenbremse: „Wir können uns weitere Schulden nicht leisten, weil uns der zusätzliche Kapitaldienst in wenigen Jahren strangulieren würde“, sagt der Finanzminister. Der Bund stoße an Grenzen. Das bedeute aber zugleich, dass sich das Anspruchsdenken gegenüber ihm mäßigen müsse.
Dabei erinnert Lindner unter anderem daran, dass der Bund insbesondere in den vergangenen Jahren im Kontext der Coronakrise auch den Kommunen umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen in Milliardenhöhe gewährt hatte. „Die Kommunen konnten die Krisenjahre insgesamt ohne Finanzierungsdefizit abschließen.“ Der Bund verstehe sich durchaus in einer „Mit-Verantwortung“ für die gesellschaftlichen Themen, die die Kommunen außerordentlich belasten.
Bund bereit, zur Altschuldenhilfe beizutragen
Während die Kommunen und die Länder das Jahr 2021 aber mit einem Finanzierungsüberschuss hätten abschließen können, verzeichne der Bund ein Finanzierungsdefizit von 135,8 Milliarden Euro. „Die Nonchalance insbesondere unsere 16 Freunde von den Ländern, dass der Bund für originäre Länderaufgaben einsteht, ist nicht mehr fortsetzbar.“
Gleichwohl bekennt sich der Finanzminister dazu, dass der Bund zu einer Altschuldenlösung beiträgt. So ist es im Koalitionsvertrag vermerkt. Allerdings hätten während der Koalitionsverhandlungen „andere Voraussetzungen“ geherrscht. Insbesondere das steigende Zinsniveau verändere die Situation und erfordere ein „erheblicheres finanzielles Engagement“, wolle der Bund die Schulden der Kommunen übernehmen. „Dessen ungeachtet ist die Bundesregierung unverändert dazu bereit, mit den Ländern und dem Bundestag über eine kommunale Altschuldenhilfe zu sprechen.“
Altschuldenlösung: Lindner erwartet „Bundestreue“
Dabei gehe es um Liquiditätskredite, nicht um Schulden, die aus Investitionen resultieren. „Eine solche Einigung kann nur gemeinsam mit dem Deutschen Bundestag und der Ländergesamtheit getroffen werden“, so Lindner. Schließlich erfordere sie eine Änderung des Grundgesetzes hinsichtlich der Finanzbeziehung zwischen dem Bund und den Kommen.
Dabei müsse klar sein: „Nicht alle Länder profitieren davon.“ Die Belastung mit kommunalen Altschulden sei in der Republik unterschiedlich. Voraussetzung sei eine „Bundestreue“, so der Finanzminister. „Was es nicht geben kann, ist, dass alle Länder vom Bund gewissermaßen eine Einigungsprämie gezahlt bekommen, damit wir denjenigen helfen, die ein Problem haben.“ Für eine solche „Prämie“ seien keine Mittel vorhanden.
Konnexitätsprinzip und Subsidiaritätsprinzip
Dabei sei die Stabilität der kommunalen Ebene im nationalen Interesse. Vor Ort fänden die gesellschaftlichen Transformationsprozesse hinsichtlich des Klimaschutzes, der Mobilität oder der Energieversorgung statt. „Da erleben die Menschen ihr Gemeinwesen“, sagt Lindner. In der Debatte um die Aufgabenverteilung zwischen den staatlichen Ebenen und die gerechte Finanzierung dürfe es daher nicht nur um das Konnexitätsprinzip gehen. Gleichzeitig sei das Subsidiaritätsprinzip „mindestens genauso wichtig“, so der Finanzminister.
„Wer von kommunaler Selbstverwaltung spricht, muss nicht nur die Finanzmittel bereitstellen, sondern muss auch die Entscheidungsmöglichkeiten auf der kommunalen Ebene stärken.“ In diesem Sinne spricht er sich für schlanke Prozesse sowie „schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren“ aus.