Die Optionsregelung für das neue Umsatzsteuerrecht soll für zwei weitere Jahre gelten. Das hat der Bundestag am 2. Dezember beschlossen. Am 16. Dezember soll der Bundesrat die Verlängerung absegnen. Damit greift Paragraph 2b UStG erst zum 1. Januar 2025 und nicht schon zum Beginn des kommenden Jahres. Allerdings können Kommunen nach wie vor „mit Wirkung zum Beginn des nächsten Kalenderjahres … für die Anwendung des neuen Besteuerungsregimes optieren“, schreibt das Bundesfinanzministerium (BMF) in einer Formulierungshilfe zum Gesetzentwurf.
Die erneute Verschiebung begründet das Ministerium unter anderem damit, dass immer noch viele offene Fragen bestünden, die „insgesamt die Zweifel daran nähren, dass ab dem 1. Januar 2023 flächendeckend eine zutreffende Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand sichergestellt werden kann.“ Zuletzt war die Übergangsfrist coronabedingt im Juni 2020 um zwei weitere Jahre verlängert worden, ursprünglich sollten die Neuerungen eigentlich schon 2017 in Kraft treten.
Ukraine-Krieg, Energiekrise, Grundsteuerreform
An der starken Belastung der Kommunen habe sich seitdem aber nichts geändert, zudem fehle fachkundiges Personal. Ukraine-Krieg, Energiekrise und die anstehende Grundsteuerreform verschärften die Situation noch zusätzlich. „Der Übergang zu einem neuen Besteuerungsregime bei der Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts könnte hier zu einer Überlastung der Strukturen führen. Dies gilt es zu vermeiden“, erklärt Katja Hessel, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen, auf Anfrage von DNK.
„Der Übergang zu einem neuen Besteuerungsregime bei der Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts könnte hier zu einer Überlastung der Strukturen führen. Dies gilt es zu vermeiden.“ Katja Hessel, Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen
Im November hatte der Deutsche Städtetag seine Mitglieder bereits über die unmittelbar bevorstehende Änderung beim Umsatzsteuerrecht informiert. Auch das Finanzministerium NRW wies schon vorab in einer Pressemitteilung darauf hin, dass in den parlamentarischen Beratungen zum Jahressteuergesetz 2022 diskutiert worden sei, die optionale Übergangsfrist zur Anwendung der Neuregelung um weitere zwei Jahre zu verlängern.
Der optionale Charakter der Übergangsfrist bedeutet laut NRW-Finanzministerium, dass sich Betroffene der öffentlichen Hand für die Anwendung der Neuregelung zu Beginn eines Kalenderjahrs frei entscheiden können. „Dies ist sehr wichtig, damit all diejenigen, die sich vorbereitet haben und bereits sämtliche Anpassungen im Hinblick auf den 1. Januar 2023 vorgenommen haben, auch pünktlich und ohne Verzögerung starten können“, sagt Nordrhein-Westfalens Finanzminister Marcus Optendrenk.
„Rolle rückwärts“ beim §2b UStG
Zu den Kommunen, die bereits vorbereitet sind, gehört Recklinghausen. Für Ekkehard Grunwald, Kämmerer der Stadt und Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Städtetags, ist die erneute Verschiebung schlicht eine „Rolle rückwärts“, für die er kein Verständnis aufbringt. Die Auswirkungen der erneuten Verschiebung sind für Recklinghausen enorm. Bereits Ende November 2022 hätte der Rat der Stadt beispielsweise die neue Parkgebührensatzung verabschieden sollen.
„Jetzt werden wir erst mal abwarten“, sagt der Kämmerer – und das, obwohl die Stadt bereits ein Unternehmen beauftragt hat, das die Umstellung der Parkautomaten durchführen sollte. Natürlich könnte die Stadt die Option ziehen und damit das Umsatzsteuerrecht zum 1. Januar 2023 umsetzen, doch das würde im Falle der Parkgebühren Mehrkosten für die Bürger bedeuten. „In der jetzigen Situation würden wir dadurch doch nur Ärger auf uns ziehen, Gebühren zu erhöhen, wenn wir dies gar nicht explizit müssten“, erklärt Grunwald das Dilemma, in dem die Stadt jetzt steckt.
Kommunale Spitzenverbände üben Kritik an Zeitschiene
Die kommunalen Spitzenverbände hingegen „begrüßten grundsätzlich“ die Verlängerung der Optionsfrist um weitere zwei Jahre, schreibt die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände in einer gemeinsamen Bewertung. Darin stellt sie fest, dass der Umstellungsbedarf in den Verwaltungen der Kommunen, der Länder, des Bundes und der öffentlichen Körperschaften sehr hoch gewesen sei und auch weiterhin bestehe. Trotz erheblicher Anstrengungen seien noch sehr viele Umstellungen auf das neue Recht nicht abgeschlossen. „Daher sind zwei weitere Jahre hilfreich“.
„Mit der neuerlichen Verlängerung war nicht mehr zu rechnen, diese wurde im Gegenteil verneint.“ Kommunale Spitzenverbände
Doch es kommt auch Kritik von den Verbänden. Sie sind der Meinung, dass die Entscheidung über eine Verlängerung der Optionsfrist schon „vor geraumer Zeit“ hätte getroffen werden müssen. „Mit der neuerlichen Verlängerung war nicht mehr zu rechnen, diese wurde im Gegenteil verneint.“ Für die Einhaltung einer gesetzlichen Frist, „die nun denkbar knapp vor Fristende verlängert werden soll“, seien daher im großen Umfang knappe Kapazitäten in den öffentlichen und kommunalen Verwaltungen gebunden worden.
Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DStGB, äußerte gegenüber DNK, dass er über den neuerlichen Aufschub sehr überrascht sei, ihn aber begrüße. Die Initiative dazu sei nicht von Seiten der Verbände, sondern aus dem „politischen Raum“ gekommen. In erster Linie müsse nun geregelt werden, was mit denen geschehen solle, die trotz des Aufschubs in das neue Recht hineinwollten, und die zusätzliche Zeit dazu genutzt werden, um Paragraph 2b nochmals zu überdenken, praxistauglich auszugestalten und alle Zweifelsfragen der Gemeinden zu beantworten.
Fristverlängerung bei der Umsatzsteuer nutzen
Wer bisher noch nicht zu Paragraph 2b optiert und die notwendigen Umstellungsarbeiten noch nicht erledigt habe, sollte die Fristverlängerung ausnutzen, empfiehlt Christian Trost: „Für die Kommunen ist der Aufschub von zwei Jahren eine Chance. Sie können nun beobachten, bis sich viele der noch bestehenden Unsicherheiten geklärt haben, so dass sie am Ende sämtlichen steuerlichen und gesetzlichen Anforderungen auch gerecht werden können“, meint der Geschäftsführer von BDO Concunia. Ein Knackpunkt, so Trost, sei zum Beispiel weiterhin der umsatzsteuerrechtliche Umgang mit Fällen interkommunaler Zusammenarbeit. Die Umstellungsarbeiten sollten jedoch trotz Fristverlängerung ohne Pause fortgeführt werden.
„Das BMF hat die Verlängerung der Übergangsfrist unionsrechtlich geprüft und hält sie für vertretbar.“ Katja Hessel
Im Fall der interkommunalen Zusammenarbeit ist das BMF bereits aktiv geworden, wie Staatssekretärin Hessel bestätigt: „Der Bundesminister der Finanzen hat sich mit Schreiben vom 19. August 2022 an den EU-Kommissar für Wirtschaft, Herrn Gentiloni, gewandt und hierbei unter anderem ausdrücklich auf die Umsetzungsschwierigkeiten im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit hingewiesen. Die Kommission wurde gebeten, hier initiativ zu werden. Eine Antwort steht noch aus.“ Keine europarechtlichen Schwierigkeiten sieht das BMF dagegen bei der Fristverlängerung selbst. „Das BMF hat die Verlängerung der Übergangsfrist unionsrechtlich geprüft und hält sie für vertretbar“, bestätigt Hessel. Daher rechne man nicht mit einer Beanstandung durch die EU-Kommission.
Info
Der hier veröffentlichte Leitartikel erscheint heute parallel in der Zeitungsausgabe 4/2022 von Der Neue Kämmerer.Hier geht es zum Zeitungsabo und hier zur Newsletter-Anmeldung.
Mehr zum neuen Umsatzsteuerrecht finden Sie auf der DNK-Themenseite Umsatzsteuerparagraph 2b.