Egal, ob vermögend oder nicht, Städte und Kommunen müssen investieren. Beispielsweise um den Kapitalstock ihrer Stiftungen real zu erhalten, künftige Pensionsverpflichtungen auszufinanzieren oder Kapital für spätere Investitionen Ertrag bringend und sicher anzulegen. Bevor sie jedoch investieren, bedarf es eines durchdachten Konzepts, welches in einer Anlagerichtlinie niedergeschrieben werden sollte. Zum einen ist die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung dadurch höher und zum anderen lassen sich Kapitalverlust- und Haftungsrisiken reduzieren.
Vier Punkte, die eine Anlagerichtlinie enthalten sollte
Eine Anlagerichtlinie ist mit einem Kochrezept vergleichbar. Wenn Details in dem Rezept vergessen werden oder sich nicht an die genauen Vorgaben gehalten wird, werden die Erwartungen wahrscheinlich verfehlt. Im Vergleich zur Anlagerichtlinie bedeutet dies, dass entweder Renditeziele nicht erreicht, die finanziellen Verluste zu hoch werden oder dubiose Finanzprodukte den Weg ins Portfolio finden. Damit Kommunen die gesteckten Ziele bei möglichst hoher Transparenz erreichen, sollten folgende vier Punkte in einer Anlagerichtlinie nicht fehlen.
1. Klare Zieldefinition
Ohne konkrete Ertrags- und Risikoziele ist es schwierig, die Erwartungen an die Kapitalanlagen zu erfüllen oder die Leistung des Vermögensverwalters zu beurteilen. Im schlechtesten Fall entsteht ein zu hoher Verlust, den die Finanzverwaltung gegenüber dem Rat verantworten muss, oder es werden zu wenige ordentliche Erträge erwirtschaftet, sodass die Stiftung ihrem Zweck nicht vollumfänglich nachkommen kann. Ziele lassen sich meist mathematisch quantifizieren. Beispielsweise sollten Städte bei einer längerfristigen Kapitalanlage den Anspruch haben, die Kaufkraft des investierten Kapitals nach Kosten zu erhalten. Daraus ergibt sich eine mögliche Zieldefinition: „Als Zielrendite wird langfristig eine durchschnittliche Rendite in Höhe der Inflation (VPI Deutschland) nach Kosten angestrebt.“ Der Vorteil einer dynamischen Zieldefinition ist, dass diese nicht ständig an neue Marktgegebenheiten angepasst werden muss.
2. Ein detailliertes Anlageuniversum
Abgeleitet von den Zielen sollte ein Anlageuniversum definiert werden, das den Risikoansprüchen gerecht wird und die Renditeziele nicht außer Acht lässt. Bei der Konzeption sollten Kommunen folgende Aspekte berücksichtigen:
- Anlageklassen:
Je mehr Anlageklassen zugelassen werden, desto stärker wirkt sich dies auf die Diversifikation und somit auf die Risikominimierung aus. Es empfiehlt sich, einen Positivkatalog mit Anlageinstrumenten zu erstellen, damit nur die Wertpapiere ins Portfolio gelangen, die im Vorfeld klar bestimmt wurden. Aktien und Unternehmensanleihen finden sich tendenziell weniger in Anlagerichtlinien von Städten und Kommunen wieder, da mit diesen Anlagevehikeln erhöhte Verlustrisiken assoziiert werden. Das Rendite-Risiko-Verhältnis dieser Anlageklassen kann jedoch ausgesprochen gut sein, wenn auf eine vernünftige Selektion geachtet wird. Meist geht angesichts der Ertragsanforderungen kein Weg an diesen Anlageinstrumenten vorbei. Schlussendlich hängt die konkrete Ausgestaltung jedoch immer von den jeweiligen Rendite- und Risikopräferenzen ab. - Quotenbegrenzung der Anlageklassen:
Insbesondere schwankungsintensivere Wertpapiere wie Aktien oder Hochzinsanleihen sollten zur Risikobegrenzung in ihrer Investitionsquote beschränkt werden. Welcher Anteil jedoch der Richtige ist, hängt von den individuellen Zielen sowie dem Anlagehorizont ab. Statistisch gesehen gilt: Je länger der Anlagehorizont, desto geringer ist die Verlustwahrscheinlichkeit. - Bonitätsrestriktionen:
Mithilfe von Ratings der großen Agenturen S&P, Moodys und Fitch lässt sich individuell auf Rendite- und Risikoziele eingehen. Zu restriktiv zu sein, ist dabei unter Umständen nicht zielführend. Historisch betrachtet ist die Ausfallrate von BBB-Anleihen nicht viel höher als die von AAA-Anleihen – gleichwohl bieten diese in der Regel eine deutlich höhere Rendite. - Quotenbegrenzung der Emittenten:
Um Verlustrisiken bei Aktien und Anleihen zu minimieren ist eine granulare Verteilung des Vermögens auf viele Emittenten sinnvoll. Zudem sollten Obergrenzen pro Emittenten festgelegt werden. Wird ein Unternehmen zahlungsunfähig, dann können keine unerwartet hohen Verluste entstehen. - Länder- und Währungsrestriktionen:
Ausschließlich in deutsche Wertpapiere zu investieren, hilft nicht, das Risiko zu reduzieren. Im Gegenteil. Teile des Portfolios sollten im Ausland investiert werden. Zum einen weisen viele Unternehmen außerhalb Deutschlands deutlich höhere Wachstumspotenziale auf, zum anderen befinden sich Länder nicht immer im gleichen Wirtschaftszyklus. Allerdings eignen sich nicht alle Länder für Investitionen. Viele bergen politische und damit auch wirtschaftliche Risiken. Außerdem sollten Städte eine maximale Fremdwährungsquote definieren, um potenzielle Währungsverluste zu begrenzen.
3. Nachhaltigkeit (ESG)
Wenn nicht Kommunen ihr Geld nachhaltig anlegen sollten, wer dann? ESG-Research-Institute wie MSCI oder ISS haben es geschafft, Unternehmen und Länder sehr transparent hinsichtlich ökologischer, sozialer und führungspolitischer Aspekte zu machen. Dadurch kann jede Stadt ihre eigenen Vorstellungen von nachhaltiger Geldanlage umsetzen und sollte diese ebenfalls in der Anlagerichtlinie definieren. Zu eng sollte das Korsett jedoch nicht geschnürt werden, weil sich dadurch das Investmentuniversum stark verringern könnte, was zulasten der Risikodiversifikation gehen würde.
4. Aufgaben und Aufgabenverteilung
Mit Vollendung der Anlagerichtlinie ist die Arbeit nicht getan, denn die definierten Elemente in der Anlagerichtlinie können sich ändern. Daher müssen sie laufend überwacht werden. Beispielsweise könnten die Ziele mit den gesetzten Restriktionen aufgrund von geänderten Gegebenheiten an den Kapitalmärkten nicht mehr erwirtschaftet werden. Darauf sollten Städte proaktiv reagieren, damit die Zielerreichung im Bereich des Möglichen bleibt.
Autor
Richard Feininger ist Gesellschafter bei Böhke & Compagnie Consultants.Info
Anne-Kathrin Meves ist Redakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Anglistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften (M.A.) hat sie ein Volontariat beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt am Main absolviert. Danach wechselte sie 2011 als Redakteurin zu Frankfurt Business Media, dem FAZ Fachverlag. Zunächst schrieb sie dort für die Magazine „FINANCE“ und „Der Treasurer“. 2018 wechselte sie in das Redaktionsteam von „Der Neue Kämmerer“.